04. März 2013 | Pressemitteilung

Weltbevölkerung: Ende des Wachstums fraglich

Eine Stagnation der globalen Bevölkerungsgröße bei 10 Milliarden Menschen, wie sie die Vereinten Nationen prognostizieren, könnte nicht von Dauer sein.

Wie die Weltbevölkerung wächst, hängt vor allem vom Energieverbrauch pro Kopf ab. © iStockphoto.com / raimond

Rostock. Dass die Weltbevölkerung beim Stand von 10 Milliarden Menschen aufhört zu wachsen, wie es UNO-Prognosen für das Ende des Jahrhunderts in Aussicht stellen, ist unwahrscheinlich. Zwar könnte es tatsächlich zu einer kurzfristigen Stagnation kommen. Schon kleine Schwankungen in der Energie- oder Nahrungsversorgung dürften aber dazu führen, dass die Bevölkerung von der 10-Milliarden-Marke abweicht und erneut stark wächst. Das ergeben Modellrechnungen, die Oskar Burger am  Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock zusammen mit John DeLong von der Yale Universität in New Haven, USA, und Marcus Hamilton vom Santa Fe Institute in Santa Fe, USA, durchgeführt hat.

„Die Obergrenze der Vereinten Nationen ist alles andere als ein stabiles Gleichgewicht“, sagt Oskar Burger. Die Berechnungen des Forscherteams sind jetzt im Wissenschaftsmagazin „Frontiers in Ecology and the Environment“ veröffentlicht worden. Das Populationsmodell geht von der Beobachtung aus, dass das Bevölkerungswachstum stark vom Pro-Kopf-Energieverbrauch abhängt: Ist mehr Energie nutzbar, begünstigt dies die wirtschaftliche Entwicklung und drückt in der Folge die Geburtenraten. Sind sie rund um den Globus klein genug, hört die Weltbevölkerung auf zu wachsen. Damit steht das Modell im Kontrast zu den Vorhersagen der UNO, die lediglich den seit einigen Jahrzehnten sichtbaren Trend sinkender Geburtenziffern für kommende Zeiten fortschreiben, dafür aber keinen Mechanismus angeben.

Nullwachstum möglich aber nicht von Dauer

„Bei 10 Milliarden Menschen ist tatsächlich ein Nullwachstum erreichbar“, sagt Oskar Burger. „Die Bevölkerungsgröße bleibt aber nur auf diesem Niveau, wenn weiterhin ständig genügend Energie pro Kopf zur Verfügung steht.“ Das sei jedoch kaum zu erwarten. „Seit 1960 ist die Bevölkerung stärker angewachsen als die weltweit nutzbare Energiemenge“, sagt Burger. Im Mittel sei darum die pro Person bereitstehende Energie gesunken. Diese Entwicklung halte nach wie vor an.

„In den letzten 50 Jahren hat sich die Weltbevölkerung damit von einem stabilen Gleichgewicht sogar noch entfernt“, sagt der MPIDR-Forscher. Komme es tatsächlich zu einem Nullwachstum bei 10 Milliarden Menschen, ohne dass es genügend Energiezufuhr gebe, reichten schon kleinste Veränderungen bei den Ressourcen oder im Verhalten der Gesellschaften, um eine Abweichung auszulösen, die sich sofort verstärke.

„Unser Modell des Bevölkerungswachstums ist noch recht einfach“, sagt Oskar Burger. Es soll weder die existierenden UNO-Projektionen ersetzen, noch selbst konkrete Voraussagen machen. Aber es ist ein Ausgangspunkt, um mehr kausale Dynamik in Bevölkerungsmodelle einzubauen, indem in einem ersten Schritt die fundamentale Abhängigkeit von der Energie berücksichtigt wird. Nun müsse mehr darüber herausgefunden werden, wie die Energie im Detail auf die Bevölkerungsgröße wirke, sagt Burger.

Bevölkerungsmodelle müssen auf kausalen Faktoren basieren

Auch falls sich der Zusammenhang von Energie und Bevölkerungswachstum ändere, sei die Stabilität des 10-Milliarden-Niveaus nicht gewährleistet, betont Burger. „Der große Nachteil der UNO-Berechnungen ist, dass Stabilitätsanalysen für ein Nullwachstums prinzipiell unmöglich sind.“ Denn für eine solche Analyse reiche es nicht, wenn die Bevölkerungsgröße einfach nur von der Zeit abhängt – ohne weitere kausale Begründung. Insbesondere ist die Bevölkerung in den UNO-Berechnungen völlig unabhängig von der verfügbaren Energie.

Nötig sei stattdessen ein echtes dynamisches Modell der globalen Population, in dem die Bevölkerungsgröße mindestens vom Energieverbrauch bestimmt wird, aber auch von weiteren dynamischen Größen wie den natürlichen Ressourcen, der Wirtschaft, Kultur und von politischen Einflüssen. Erst dann lasse sich sagen, ob es für die Menschheit tatsächlich eine dauerhafte Wachstumsgrenze gebe und wie sie sich ansteuern lasse.

Über das MPIDR

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock untersucht die Struktur und Dynamik von Populationen. Die Wissenschaftler*innen des Instituts erforschen politikrelevante Themen wie den demografischen Wandel, Altern, Geburtendynamik und die Verteilung der Arbeitszeit über die Lebensspanne, genauso wie den digitalen Wandel und die Nutzbarmachung neuer Datenquellen für die Erforschung von Migrationsströmen. Das MPIDR ist eine der größten demografischen Forschungseinrichtungen in Europa und zählt international zu den Spitzeninstituten in dieser Disziplin. Es gehört der Max-Planck-Gesellschaft an, der weltweit renommierten deutschen Forschungsgemeinschaft.

Material zum Download

Diese Pressemitteilung (PDF-Datei, 149 kB)

Original-Publikation

DeLong, J. P., O. Burger and M. J. Hamilton: The UN medium population projection is an unstable equilibrium. Frontiers in Ecology and the Environment [Zuerst online veröffentlicht: 01. März 2013. DOI:10.1890/13.WB.004

Kontakt

PRESSE- UND ÖFFENTLICHKEITSARBEIT

Kontakt

Leiterin des Arbeitsbereichs Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen

Silvia Leek

E-Mail

+49 381 2081-143

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

Silke Schulz

E-Mail

+49 381 2081-153

Was nun?

Zur Startseite

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.