Doktorarbeit

Socioeconomic differences in old age mortality in Denmark and the USA: with special emphasis on the impact of unobserved heterogeneity on the change of mortality differences over age

Hoffmann, R.
300 pages. Rostock, University of Rostock (2006)

Abstract

Im ersten Kapitel beschreibt der Autor den Trend der steigenden Lebenserwartung allgemein und in den beiden Untersuchungsländern Dänemark und die USA, sowie in Deutschland. Es werden kurz die wichtigsten Gründe und grundsätzliche wissenschaftliche Fragen aufgezeigt, die mit dieser Entwicklung zusammenhängen. Etwas genauer wird hier die Entwicklung der Mortalität in Dänemark und den USA in den letzten Jahrzehnten untersucht und auf Unterschiede in der Entwicklung zwischen den Ländern und auf Unterschiede zwischen der allgemeinen Mortalität und der Mortalität im Alter hingewiesen. Die vergleichsweise geringe Zunahme der Lebenserwartung in Dänemark und die dafür von der Mortalitätsforschung vermuteten Gründe, nämlich der Konsum von Alkohol und Tabak, werden anschaulich beschrieben. Im zweiten Kapitel nähert sich der Autor dem Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Gesundheit, indem er die gesellschaftliche Rolle und Bedeutung von Gesundheit in den Blickpunkt rückt. In dem Maße, in dem Gesundheit von der Qualität der Versorgung und damit auch von gesellschaftlichen Institutionen und Verteilungsmechanismen abhängt, ist sie ein bedeutendes Thema in den Aushandlungen zwischen sozialstaatlicher und individueller Verantwortung. Der Autor vermutet eine zunehmende Ökonomisierung von Gesundheit, die auf der Basis bestehender sozialer Ungleichheit eher zu mehr gesundheitlichen Unterschieden zwischen sozialen Gruppen führen wird. Mit der Begründung, dass ältere Menschen besonders auf den Sozialstaat angewiesen sind, untersucht der Autor im Folgenden die Unterschiede im Versorgungssystem für Ältere zwischen Dänemark und den USA. Er räumt ein, dass dieser Vergleich in seiner Arbeit theoretisch und empirisch nicht vollständig sein kann, aber mit einer Beschreibung der für soziale Ungleichheit und Gesundheit wichtigsten Wohlfahrtsstaatskriterien gelingt im eine anschauliche Einordnung der Länder Dänemark und USA in die wichtigsten Dimensionen des Wohlfahrtsstaates. Dazu benutzt er die Klassifikation Esping-Andersen’s und anderer Autoren sowie empirische Daten z.B. zur Einkommensverteilung und Einkommenszusammensetzung im Alter und den Ausgaben des Staates für Gesundheit. Insgesamt wird hier deutlich, dass die beiden ausgewählten Länder zwar beide reich, aber in der Ausprägung des Wohlfahrtsstaates und bezüglich sozialer Ungleichheit doch sehr unterschiedlich und damit für die folgende empirische Analyse sozialer Unterschiede in der Mortalität gut geeignet sind. Im dritten Kapitel wird dann auf die Soziologie sozialer Ungleichheit genauer eingegangen. Der Autor stellt wichtige Definitionen sozialer Ungleichheit von Stefan Hradil vor und referiert ausführlich die Theorie Pierre Bourdieus, in der die Entstehung und Persistenz soziale Ungleichheit nicht nur strukturell, sondern auch mit Lebensstil, Präferenz- und Praxismustern beschrieben und begründet wird. Der Autor setzt sich kritisch mit den beschriebenen Konzepten und dem allgemeinen soziologischen Verständnis von sozialer Ungleichheit auseinander und versucht, Gesundheit an diese Konzepte anzuschließen. Die Frage lautet, ob Gesundheit eine Dimension sozialer Ungleichheit sein kann, wo doch so viele soziale Faktoren sie mitbestimmen, oder ist diese medizinisch-biologische Kategorie letztlich doch außerhalb soziologischer Theorie anzusiedeln? Obwohl diese große Frage hier nicht beantwortet werden kann, schlägt der Autor eine weitgehende Integration der Dimension Gesundheit in das Konzept sozialer Ungleichheit vor mit der Begründung, dass gerade im hohen Alter Gesundheit sehr viel Bedeutung für den soziale Status hat und dass schließlich auch bei anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit, z.B. Bildung, ein völliger Ausschluss biologisch-genetischer Determinanten nicht möglich ist. Mit einem Konzept, das soziale Ungleichheit und Gesundheit integriert, könnte die Koevolution von Gesundheit und sozialem Status im Lebensverlauf besser verstanden werden. Im Folgenden wird die soziale Ungleichheit im Alter aus soziologischer Perspektive näher analysiert. Dabei stellt sich die Frage, ob soziale Ungleichheit mit zunehmendem Alter abnimmt, zunimmt oder gleich bleibt. Diese drei Hypothesen werden anhand einschlägiger Literatur und empirischer Daten zur Ungleichheit in verschiedenen Altersstufen diskutiert. Im Folgenden wird die soziale Ungleichheit in Dänemark und den USA beschrieben und verglichen, bevor in einem letzten Abschnitt das Konzept des sozialen Status, die erklärende Variable des empirischen Teils, genau definiert wird, unter Einbezug der bestehenden wissenschaftlichen Kontroversen. Das vierte Kapitel widmet sich den sozialen Unterschieden in Gesundheit und Mortalität. Dabei wird zunächst auf die Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Mortalität eingegangen. Dann beschreibt der Autor mit vielen empirischen Belegen aus der Forschungsliteratur internationale Unterschiede, die Entwicklung über die Zeit und Geschlechtsunterschiede bezüglich gesundheitlicher Ungleichheit. Ein besonders umfangreicher Abschnitt ist der Kausalität zwischen sozialem Status und Mortalität gewidmet. Nach einer Definition von Kausalität speziell für sozial-epidemiologische Forschungen, führt der Autor eine eigene Kategorisierung der Vielzahl von Gesundheitsdeterminanten durch und diskutiert jeweils detailliert den aktuellen Forschungsstand und kontroverse Fragen. Dazu gehören u. a. die Unterscheidung von fundamentalen und näheren Gesundheitsdeterminanten, die Frage, ob auch auf der Makroebene soziale Ungleichheit die Mortalität erhöht und die Frage nach der Kausalitätsrichtung zwischen Gesundheit und sozialem Status. Letzterer Problematik nähert sich der Autor weiter wenn er die Prozesse, in denen der soziale Status die Gesundheit und die Gesundheit wiederum den Status beeinflusst, in der Lebenslaufperspektive betrachtet. Nach einer sehr differenzierten Diskussion und weil die Frage nach der Kausalitätsrichtung hier empirisch nicht endgültig beantwortet werden kann, entscheidet sich der Autor in Anlehnung an die vorherrschenden wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, von einer hauptsächlichen Beeinflussung der Gesundheit durch den sozialen Status auszugehen. Im fünften Kapitel stellt der Autor die Theorien und den empirischen Forschungsstand zur Hauptfrage der Dissertation vor: ob der soziale Mortalitätsgradient mit dem Alter zu- oder abnimmt. Es werden der allgemeine Forschungsstand zusammengefasst sowie fünf ausgewählte Studien kritisch diskutiert. Die überwiegende Mehrheit der Forschungsergebnisse zeigt eine Abnahme der sozialen Unterschiede. In der Dissertation werden nun die möglichen Gründe für eine Abnahme diskutiert aber auch Gründe, die für eine Zunahme sprechen würden. Unter anderem wird die Möglichkeit vorgestellt, dass Selektionseffekte aufgrund von sozial selektiver Mortalität die normalen empirischen Messungen verzerren. Diese Verzerrungen werden im neunten Kapitel analysiert. Kapitel Sechs beschreibt Messprobleme einmal auf theoretisch-konzeptioneller Ebene und diskutiert konkrete Operationalisierungen sowohl des sozialen Status als auch der Gesundheit in dieser Untersuchung. Z.B. werden die Vor- und Nachteile der „selbst eingeschätzten Gesundheit“ im Gegensatz zu objektiven Gesundheitsmaßen ausführlich vorgestellt. Kapitel Sieben „Daten und Methoden“ beschreibt die Herkunft der Daten, also Längsschnitt-Surveydaten aus den USA und Registerdaten aus Dänemark. Alle benutzen Variablen aus den beiden Datensätzen werden erläutert. Hier wird deutlich, dass diese Untersuchung auf hervorragenden, wenn nicht den besten überhaupt zur Verfügung stehenden Daten basiert. Im Folgenden wird dann noch die Methode der Ereignisdatenanalyse erläutert, zunächst nur das Standardverfahren, welches dann im Kapitel Neun erweitert wird. Kapitel Acht dient der Vorstellung und Diskussion der Ergebnisse. Alle Analyseschritte werden nacheinander erst für die USA und dann für Dänemark durchgeführt. Zunächst werden drei so genannte „Main-effect-Models“ gerechnet, die mit zunehmender Anzahl von Kontrollvariablen die Vorteile multivariater Verfahren und einige interessante Zusammenhänge aufzeigen, z.B. dass die Mortalitätsunterschiede zwischen Bildungsgruppen erheblich reduziert werden, wenn im Model die Variable Einkommen kontrolliert wird und dass Mortalitätsunterschiede zwischen Einkommensgruppen in Dänemark größer sind als in den USA. Dann werden Interaktionseffekte untersucht, die über den Zusammenhang von sozialem Status, Gesundheit und Mortalität noch weiter Aufschluss geben. Z.B. wird deutlich, dass das Einkommen bei kranken Menschen für die Sterblichkeit weit weniger Bedeutung hat als bei gesunden Menschen. Die wichtigste Interaktion ist die zwischen einer Variablen für den sozialen Status, der Autor wählt hier begründetermaßen die Variable Einkommen, und dem Alter. Die Modelle mit dieser Interaktion und weiteren Kontrollvariablen zeigen, dass die Mortalitätsunterschiede zwischen Einkommensgruppen mit zunehmendem Alter nur wenig abnehmen, in Dänemark mehr als in den USA. Vor dem Hintergrund dieser und anderer Ergebnisse diskutiert der Autor die eingangs erwähnten Hypothesen, also mögliche Gründe für eine Zu- oder Abnahme sozialer Mortalitätsunterschiede mit dem Alter. Es gelingt ihm, einige der aus der Literatur übernommenen Thesen zu entkräften und andere zu bestätigen. Im letzten Abschnitt des Ergebniskapitels wird die vorherige Analyse in reduzierter Form und nur für Dänemark nach einzelnen Todesursachen aufgeteilt. Dabei wird deutlich, dass unterschiedliche Todesursachen in unterschiedlichem Alter ihr größtes Risiko entwickeln, und dass der soziale Mortalitätsgradient zwischen den Todesursachen nur wenig variiert und für alle Todesursachen erheblich ist. Dies interpretiert der Autor als Hinweis darauf, dass soziale Mortalitätsunterschiede nicht durch einzelne Risikofaktoren, sondern durch eine fundamentale gesundheitliche Benachteiligung unter Schichten verursacht wird. Im Kapitel Neun geht der Autor in theoretisch und methodisch anspruchsvoller Weise auf das Problem der möglichen Messfehler aufgrund von Mortalitätsselektion ein. Mit so genannten „frailty-models“, die den Einfluss unbeobachteter Heterogenität auf die Veränderung der Zusammensetzung der sehr alten Bevölkerung deutlich machen, wird versucht, die bisherigen Messungen in dieser Doktorarbeit, aber auch in der üblichen sozial-epidemiologischen Forschung, auf eine höhere und wahrheitsgemäßere Stufe zu heben. Die Grundidee ist, dass es neben den beobachteten sozialen Variablen der Personen, auch noch unbeobachtete sterblichkeitsrelevante Eigenschaften gibt, die nicht mit dem sozialen Status korrelieren. Dies könnten z.B. genetische Dispositionen für eine gute oder schlechte Gesundheit sein. Wenn diese Faktoren bei der Messung sozialer Mortalitätsunterschiede unberücksichtigt bleiben, kann es passieren, dass eine Abnahme der Unterschiede als abnehmender Einfluss des sozialen Status auf die Gesundheit interpretiert wird, wobei sich aber lediglich aufgrund von Selektion die Zusammensetzung der Bevölkerung geändert hat. Dieses Konzept repräsentiert letztlich auch die schwer zu setzende Grenze zwischen sozialen, in den hier verwendeten Modellen also die beobachteten Variablen, und den biologischen Faktoren. Nach einer theoretischen und statistischen Erläuterung des Verfahrens, wird mit einem simulieren Datensatz zunächst gezeigt, dass unbeobachtete Heterogenität erhebliche Messfehler bei sozialen Mortalitätsunterschieden im hohen Alter verursacht. Dann wird dieser Ansatz auf die dänischen Daten übertragen. Trotz großer Quantität und Qualität hat aber auch dieser Datensatz das Problem der so genannten „left-truncation“. Der Autor weist nach, dass diese Problem die einfache Anwendung von frailty-models auf Längsschnittdaten unmöglich macht und schlägt für Datensätze mit left-truncation, und das sind praktisch alle, ein einfaches mathematisches Verfahren als Alternative zu einem statistischen Modell vor, welches er auch erfolgreich evaluiert und zeigt, dass es ähnliche Ergebnisse wie das statistische Modell hervorbringt. Als Schlussfolgerung in Kapitel Zehn hebt der Autor hervor, dass erstens, soziale Mortalitätsunterschiede in Dänemark größer sind als in den USA. Dies widerspricht der Erwartung, dass Länder mit größerer sozialer Ungleichheit auch größere gesundheitliche Ungleichheit aufweisen. Zweitens, die eher geringe Konvergenz sozialer Mortalitätsunterschiede mit zunehmendem Alter ist nicht etwas auf zunehmendes Alter, sondern auf die schlechtere Gesundheit zurückzuführen. Schlechte Gesundheit führt letzten Endes dazu, dass der Sozialstatus nur noch wenig Einfluss auf die Mortalität hat, unter anderem weil durch die sozial unterschiedliche Verschlechterung der Gesundheit im Alter schon der Effekt des sozialen Status inkorporiert wurde. Für die Frage des Einflusses unbeobachteter Heterogenität kann diese Arbeit aufgrund der grundsätzlichen statistischen Probleme zwar keinen Beweis erbringen, aber die hier präsentierten Ergebnisse zeigen, dass unbeobachtete Heterogenität eine Verzerrung der Messung sozialer Mortalitätsunterschiede im hohen Alter verursacht.
Schlagwörter: Dänemark, mortality
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