11. Februar 2022 | News | Interview mit Emma Zai

Wie politische Maßnahmen Männer und Frauen ermutigen, unbezahlte Pflegearbeit gerechter aufzuteilen

© mit freundlicher Genehmigung von Emma Zai

Mit dem Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft würdigen die Vereinten Nationen die Rolle von Frauen als Akteurinnen des Wandels in der Wissenschaft. Emma Zai, Forscherin am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR), analysiert, welche wirtschaftlichen Folgen es für Frauen hat, wenn die Politik häusliche Pflege reguliert. In diesem Interview erläutert sie ihre Ergebnisse, ermutigt junge Frauen, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben, und erzählt von ihrem eigenen Vorbild.

Dr. Zai, Sie forschen über Subventionen für die häusliche Pflege von Angehörigen in den USA. Welche Zusammenhänge sehen Sie?

Politische Maßnahmen beeinflussen, wer, wann und wie häusliche Pflegearbeit übernimmt. In den USA bietet das Programm Medicaid Aging Waiver Zuschüsse für die Pflege zu Hause durch Angehörige. Wir zeigen, dass sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Erwachsene ihre Eltern zu Hause pflegen, wenn die Zuschüsse steigen. Politische Maßnahmen können also manchmal informelle Pflegearbeit steigern.

Ist das immer eine gute Sache?

Nicht unbedingt. Es kann gut für ältere Angehörige sein, die gern von einer vertrauten Personen betreut werden. Es kann sich aber auch negativ auswirken, wenn die Pflege bereits eine Belastung für die Familien darstellt; etwa dann, wenn die pflegende Person ihre Arbeitszeit reduzieren muss oder ganz aus dem Arbeitsmarkt ausscheidet.

Im Allgemeinen verbringen Frauen mehr Zeit mit unbezahlter Pflegearbeit als Männer. Warum ist das immer noch so, besonders in Ländern mit hohem Einkommen?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens sind Frauen schon sehr lange die Hauptbetreuerinnen im Haushalt. Es besteht immer noch die gesellschaftliche Erwartung, dass Frauen die Hauptverantwortung für die informelle Pflege übernehmen. Deshalb ist der Anteil der Frauen in der informellen Pflegearbeit größer. Zweitens ist es für Frauen leider immer noch wirtschaftlich sinnvoller, die Pflege zu übernehmen, da ihre Opportunitätskosten im Vergleich zu denen der Männer niedriger sind. Das bedeutet, dass Frauen relativ weniger verdienen als Männer mit der gleichen Ausbildung und den gleichen Fähigkeiten. Wenn man also den Nutzen für den Haushalt betrachtet, ist es ein wirtschaftlicher Vorteil für Frauen, unbezahlte Pflegearbeit zu übernehmen, während Männer für Geld arbeiten. Drittens haben Frauen oft eine stärkere Neigung, sich um ihre Angehörigen zu kümmern. Mehr Frauen als Männer helfen gerne ihren Eltern. Das bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch Männer Freude daran hätten.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat es, wenn Frauen so viel unbezahlte Arbeit leisten?

Eine Folge ist, dass das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen bestehen bleibt. Außerdem fällt es Frauen nach dem Ende der unbezahlten Pflegearbeit schwer, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren und den gleichen Lohn wie Männer zu erhalten. Eine weitere gesellschaftliche Folge ist, dass die Steuereinnahmen sinken können, wenn sich Frauen aus dem Erwerbsleben zurückziehen. 

... und eine weitere?

Nun, die Qualität der Pflege könnte nicht ideal sein. Tatsächlich werden diejenigen, die Pflege erhalten, manchmal von professionellen Pflegefachkräften besser behandelt.

Welche politischen Maßnahmen können die derzeitige Situation ändern?

Einerseits sollte Pflegearbeit in der Familie - und zwar nicht nur die von Frauen - auf der Grundlage des Pflegeaufwandes und des letzten Einkommens der pflegenden Person subventioniert werden. Das bedeutet, dass informelle Pfleger*innen bezahlt werden und etwas Geld verdienen. Andererseits können Arbeitgeber*innen, die ihren Mitarbeitenden flexible Arbeitszeiten anbieten, um zum Beispiel Lohnarbeit und Pflege zu vereinbaren, Steuervorteile gewährt werden.

Wie für alle Frauen ist auch für Frauen in der Wissenschaft die Pflegearbeit eine Herausforderung, mit der sie sich auseinandersetzen müssen. Was könnte getan werden, um Wissenschaftlerinnen und ihre Karriere zu unterstützen?

Es muss mehr Förderprogramme für Frauen geben.

Was möchten Sie jungen Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, mit auf den Weg geben?

Setzt euch keine Grenzen und schränkt eure Erwartungen nicht ein. Wir Frauen können alles erreichen, wenn wir es wollen. Seid außerdem mutig, überwindet Probleme und arbeitet hart, um euer Ziel zu erreichen, denn es gibt immer noch viele Herausforderungen für uns Frauen.

Haben Sie ein Vorbild?

Meine Mutter ist mein Vorbild: Sie arbeitet hart und gibt nie auf. Wegen der komplizierten chinesischen Geschichte hat sie nur ein niedriges Bildungsniveau erreicht. Aber sie lernt ihr Leben lang immer weiter und ermutigt uns - also ihre Kinder - immer, unsere Träume zu verfolgen, auch wenn andere die für unrealistisch halten.

Über Emma Zai

Emma Zai arbeitet seit vergangenem Sommer als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR). Ihren Doktortitel hat sie Anfang 2021 an der Ohio State University erworben. Sie interessiert sich für die Ökonomie des Alterns und Gesundheitsökonomie. Zai verwendet große Sets von Secondary Data, um die Auswirkungen politischer Beschlüsse auf das Verhalten von Einzelnen kausal abzuschätzen. Sie will verstehen, wie sich staatliche Eingriffe auf das individuelle Wohlbefinden auswirken und wie Individuen auf politische Maßnahmen reagieren.

Studien, die bald veröffentlicht werden

  • The Unintended Effect of Medicaid Aging Waivers on Informal Caregiving (mit Yinan Liu)
  • The Effect of Medicaid Home and Community-Based Services on Health (mit Yinan Liu)
  • The Unintended Consequences of Partnership Long-Term Care Program on Labor Force Participation (mit Yinan Liu)

Über den Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft

Die Vereinten Nationen begehen den Internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft dieses Jahr als virtuelle Veranstaltung vom UN-Hauptsitz in New York aus.

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.