28. Februar 2023 | Pressemitteilung

Migration von Forschenden weltweit: Forscherinnen sind weniger mobil, aber die Unterschiede werden kleiner

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Ein internationales Team mit MPIDR-Forschenden bietet erstmals einen globalen Überblick über die Migration von Wissenschaftler*innen getrennt nach Geschlecht. Die im Fachjournal „PNAS“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Forscherinnen zwar weniger international mobil waren als Forscher, der Unterschied zwischen den Geschlechtern aber in den vergangenen 20 Jahren erheblich geschrumpft ist.

Für internationale Anerkennung und einen Karrieresprung wechseln Wissenschaftler*innen von einer Forschungseinrichtung zu einer anderen über Ländergrenzen hinweg. Aber ist diese Mobilität bei Frauen und Männer gleich?

Aktuell verweist die Forschung vor allem auf die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im internationalen Wissenschaftsbetrieb. Allerdings fehlen wesentliche Daten über die Migration von Forschenden, um die Frage zu beantworten, ob Forscher und Forscherinnen gleichermaßen migrieren.

Ein Team des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock und des Leverhulme Centre for Demographic Science an der Universität Oxford bieten zum ersten Mal einen globalen und dynamischen Überblick über die Migration von Wissenschaftler*innen getrennt nach Geschlecht.

Dafür wertete das Team bibliometrische Daten über mehr als 33 Millionen wissenschaftlicher Publikationen in der Forschungsdatenbank Scopus aus und rechnete die internationale Migration von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit zwischen 1998 und 2017 hoch. So dokumentierte und analysierte das Team systematisch länderübergreifende Trends.

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Die Studie ergab, dass Forscherinnen zwar weniger international mobil waren als Forscher, dass sich der geschlechtsspezifische Unterschied in den vergangenen Jahren jedoch erheblich verringert hat - und zwar schneller als der geschlechtsspezifische Unterschied unter Forschenden insgesamt.

Mitautor der Studie Aliakbar Akbaritabar vom MPIDR fügt hinzu: „Das sind positive Ergebnisse, wir sehen, dass einige Länder einen Wandel durchmachen, bei dem sich die Geschlechterunterschiede verringern. Dennoch ist es noch ein langer Weg, bis Forscherinnen und Forscher im globalen Wissenschaftssystem die gleichen Chancen, Ressourcen und Erfolge haben.“

Forscherinnen sind also weiterhin in der Gruppe der international mobilen Forschenden unterrepräsentiert. Sie sind nicht nur weniger mobil, sie stammen auch aus einer kleineren Gruppe von Ländern und migrieren in weniger verschiedene und weniger weit entfernte Länder als ihre männlichen Kollegen.

In Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen ist der Gender Gap geringer

Die Hauptautorin Xinyi Zhao vom MPIDR und dem Leverhulme Centre for Demographic Science an der Universität Oxford fügt hinzu: „Obwohl die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bestehen bleiben, belegen unsere Ergebnisse eine zunehmende Feminisierung der internationalen Migration von Wissenschaftler*innen. Allerdings können sich Forscherinnen immer noch nicht so global und so frei bewegen wie ihre männlichen Kollegen.“

Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Forschenden zugunsten von Männern waren in Ländern mit hohem Einkommen und Ländern mit mittlerem Einkommen geringer als in Ländern mit niedrigem Einkommen. Die USA, das Vereinigte Königreich und Deutschland sind nach wie vor bei mobilen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beliebt. Trotzdem bestehen in diesen globalen Zentren des internationalen Wissenschaftsbetriebs die geschlechtsspezifischen Unterschiede weiterhin.

In einigen wenigen Ländern wie Portugal, Brasilien und Argentinien zeigte sich eine annähernde Gleichstellung der Geschlechter unter den mobilen Forschenden. In anderen Ländern wie Japan und Südkorea gab es erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede zu Gunsten der Männer.

Chinas Bedeutung als Zielland für Forschende nimmt zu

In der Studie heißt es weiter: „Während die USA weiterhin das weltweit führende Zielland für Wissenschaftler*innen sind, sank der Anteil der international mobilen Forscherinnen und Forscher im Untersuchungszeitraum von etwa 25 auf 20 Prozent, was zum Teil an der wachsenden Bedeutung Chinas liegt.“

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Mitautor Emilio Zagheni vom MPIDR fügt hinzu: „Unsere Studie zeigt, dass sich die Möglichkeiten für Frauen, ihre akademische Laufbahn durch internationale Mobilität voranzutreiben, verbessert haben. Wir haben zwar einen wichtigen und begrüßenswerten Trend aufgedeckt, weisen aber auch darauf hin, dass weitere Forschung nötig ist, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen. Das schließt die Rolle der Familie und der Wissenschaftspolitik in der Entstehung der Geschlechterunterschiede ein.“

Dieser Text ist eine leicht veränderte Version des ursprünglich vom Leverhulme Centre for Demographic Science, Department of Sociology und Nuffield College, Universität Oxford veröffentlichten Texts. Die deutsche Übersetzung stammt vom MPIDR.

Originalpublikation

Zhao, X., Akbaritabar, A., Kashyap, R., Zagheni, E.: A gender perspective on the global migration of scholars. PNAS (2023). DOI: 10.1073/pnas.2214664120

Autor*innen und Institutionen

Xinyi Zhao, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Leverhulme Centre for Demographic Science, Universität Oxford

Aliakbar Akbaritabar, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Ridhi Kashyap, Leverhulme Centre for Demographic Science, Universität Oxford; Nuffield College, Universität Oxford

Emilio Zagheni, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

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Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.