11. Juli 2017 | News | Neue Veröffentlichung

Die Kinder der Väter

Erstmals berechnete Geburtenrate der Männer zeigt weltweiten Negativrekord in Ostdeutschland. © photocase: altanaka / photocase.com

Wenn es um Geburtenraten geht, werden meist nur Frauen betrachtet und Männer außen vor gelassen. Das liegt auch daran, dass schlichtweg zu wenige Daten zur Fertilität von Männern erhoben werden. Zwei Wissenschaftler des Rostocker Max-Planck-Instituts für demografische Forschung haben sich mit statistischen Methoden beholfen und zeigen, wieso auch die Geburtenrate der Männer mehr Beachtung verdient.

(Der folgende Text basiert auf dem Originalartikel Estimating male fertility in eastern and western Germany since 1991: a new lowest low? der MPIDR-Forscher Christian Dudel und Sebastian Klüsener und ist mit kleineren Änderungen ebenfalls erschienen in der Ausgabe 2/2017 der vierteljährlichen Reihe Demografische Forschung Aus Erster Hand.)

Über 16 Millionen Kinder wurden in der Zeit von 1991 bis 2013 in Deutschland geboren. Doch während wir sehr genau wissen, wie viele Kinder auf eine Frau kommen, wissen wir über die Geburtenraten der Männer so gut wie gar nichts. Denn in der deutschen Geburtenstatistik werden Daten zu den Vätern nur dann auf jeden Fall ermittelt, wenn diese mit den Müttern der Kinder verheiratet sind. Informationen zu Vätern von nichtehelich geborenen Kindern, die gerade in Ostdeutschland einen hohen Anteil stellen, wurden bis zum Jahr 2000 überhaupt nicht erfasst. Seit 2001 können Angaben auf freiwilliger Basis gemacht werden.

Um trotzdem möglichst genaue Geburtenraten für Männer errechnen zu können, leiteten Christian Dudel und Sebastian Klüsener vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock die fehlenden Daten aus den Angaben der statistisch erfassten Väter und aus Informationen zur Mutter ab. Erstmals liegen nun für den Zeitraum von 1991 bis 2013 Geburtenraten für Männer in Deutschland vor.

Demnach bekommen Männer im Vergleich zu Frauen weniger Kinder (s. Abb. 1), sie bekommen sie später und über eine größere Altersspanne verteilt. Zwar verläuft die Geburtenentwicklung von Männern und Frauen in etwa parallel, weil sie sich aus der gleichen Anzahl an Geburten errechnet. Diese Geburten werden jedoch auf eine größere Anzahl an Männern verteilt, weil diese u.a. durch eine höhere Zuwanderung von Männern nach Deutschland in der Überzahl sind. Gleichzeitig entsteht ein statistischer Effekt: Weil bei Männern die Altersspanne, in der sie potenziell Kinder kriegen können, länger ist als bei Frauen, gibt es mehr Männer im reproduktiven Alter, auf welche die neu geborenen Kinder verteilt werden.

Abb. 1: Weil es mehr potentielle Väter als Mütter gibt, liegt die Geburtenrate der Männer rund fünf bis zehn Prozent niedriger als die der Frauen. Ein bisher nicht bekanntes Rekordtief erreichte sie Mitte der 1990er Jahre in Ostdeutschland: Damals lag die Geburtenrate bei 0,74 Kindern pro Mann. FDZ 2016, eigene Berechnungen.

Im Jahr 2013 lag die durchschnittliche Geburtenrate bei 1,35 Kindern pro Mann, während sie bei Frauen 1,42 Kindern betrug. Generell liegt die Geburtenrate der Männer in Westdeutschland ungefähr vier, in Ostdeutschland sogar mehr als zehn Prozent unterhalb der Geburtenrate der Frauen. Denn in den Neunziger- und Nullerjahren wanderten vor allem Frauen aus dem Osten ab, so dass sich der Männer- Überschuss erhöhte. Besonders gering war die männliche Geburtenrate in Ostdeutschland im Jahr 1994. Die erstmals ermittelte Geburtenrate von 0,74 Kindern pro Mann stellt für Friedenszeiten einen neuen weltweiten Negativrekord dar und unterschreitet das viel diskutierte Rekordtief der ostdeutschen Frauen, die 1994 eine Geburtenrate von 0,85 Kindern erreichten, noch einmal deutlich.

Das ist unter anderem deshalb von großer Bedeutung, weil diese niedrige Geburtenrate darauf hindeutet, dass in Ostdeutschland bald eine Generation mit verhältnismäßig vielen kinderlosen männlichen Senioren existieren wird, die etwa beim Eintreten von Pflegebedürftigkeit auf staatliche Hilfe angewiesen sein könnten. Zwar entschärft sich diese Situation seit Mitte der 1990er Jahre wieder, doch bis heute liegt die Geburtenrate der Männer im Osten unter der im Westen Deutschlands. 

Abb. 2: Trend zur späten Vaterschaft: Das Durchschnittsalter der Männer bei der Geburt ihrer Kinder hat sich seit 1995 deutlich erhöht. Quelle: FDZ 2016, eigene Berechnungen.

In beiden Landesteilen zeigt sich unterdessen ein deutlicher Trend zu älteren Vätern (vgl. Abb.2). Im Westen stieg das Durchschnittsalter der Väter bei der Geburt von 1995 bis 2010 um 1,4 Jahre, im Osten sogar um 2,6 Jahre. Dennoch sind die Väter im Osten mit durchschnittlich 32,4 Jahren bei der Geburt ihrer Kinder immer noch ein gutes halbes Jahr jünger als Männer im Westen (33,1 Jahre). Im Vergleich zu den Frauen zeigt sich gerade im höheren Alter die größere Zeitspanne bei den Männern: Während bei sechs Prozent aller Geburten der Vater älter als 45 Jahre ist, kommt dies bei Müttern nur bei 0,2 Prozent der Geburten vor.

Mitautor der wissenschaftlichen Studie: Christian Dudel

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