26. März 2018 | News | News

Wer arm ist, ist weniger gesund. Aber warum?

© matlen / photocase.com

Dass es einen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und der Gesundheit gibt, ist bekannt. Doch bis heute weiß man nicht, ob arm sein krank macht, oder Krankheit zur Armut führt. MPIDR-Forscher Rasmus Hoffmann hat dies nun untersucht und festgestellt, dass es nicht eine Antwort für alle Lebensphasen gibt.

(Diese Meldung basiert auf dem wissenschaftlichen Artikel Pathways between socioeconomic status and health: Does health selection or social causation dominate in Europe?, der erstmals am 24. Februar in der Fachzeitschrift Advances in Life Course Research veröffentlicht wurde, die finale Version des Artikels ist online seit dem 24. März. )

Wer arm ist, ist weniger gesund und stirbt auch früher. Dass es einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Bildung auf der einen Seite und Gesundheit und Lebenserwartung auf der anderen Seite gibt, ist seit langem bekannt. Es ist naheliegend, dass dieser Unterschied etwas mit der Gesundheit und dem Gesundheitsverhalten zu tun hat. Aber wie der Zusammenhang zwischen der Gesundheit und dem so genannten sozioökonomischen Status, eine in den Sozialwissenschaften gebräuchliche Größe, die sich aus einem Bündel von Merkmalen, wie zum Beispiel Schulabschluss, Beruf und Einkommen, Wohnort und Eigentumsverhältnisse zusammensetzt, zustande kommt, ist nicht bekannt.

“Die große Frage ist, ob die Gesundheit den sozioökonomischen Status beeinflusst, oder ob es umgekehrt ist, nämlich, dass ein niedriger sozioökonomischer Status sich negativ auf die Gesundheit auswirkt”, sagt MPIDR-Forscher Rasmus Hoffmann, Hauptautor der Studie, die sich genau dieser Frage gewidmet hat und die in der Fachzeitschrift Advances in Life Course Research, online erschienen ist.

“Social causation” nennen die Forscher es, wenn der sozioökonomische Status Einfluss auf die Gesundheit hat. Eine denkbare Ursache dafür könnte zum Beispiel ein fehlendes Verständnis für eine gesunde Lebensweise sein, welches bedingt ist durch ein geringes Bildungsniveau. “Health selection” nennen die Forscher die Annahme, dass die Gesundheit Einfluss auf den sozioökonomischen Status hat. Ein Grund hierfür könnte zum Beispiel sein, dass jemand als Kind so häufig krank war, dass er viel in der Schule fehlte. Der daraus resultierende niedrigere Bildungsstand könnte sich später dann auf die Einkommensverhältnisse auswirken.

“Wir wollten herausfinden, welche Kausalitätsrichtung die größere Bedeutung hat. Wir haben also untersucht, in welche Richtung die beiden Faktoren einander beeinflussen, was Ursache und was Wirkung ist”, erklärt Hoffmann.

Datenquelle der Forscher ist der so genannte Survey of Health Ageing and Retirement in Europe (SHARE). Für diese Erhebung werden Menschen ab einem Alter von 50 Jahren zu gesundheitlichen und sozialen Aspekten im gesamten Lebenslauf befragt. Aus diesem Datensatz nutzten die Forscher die Daten aus 10 europäischen Ländern, womit ihnen ein Datensatz von über 20.000 Interviews zur Verfügung stand.

“Die Schwierigkeit bei dieser Art von Forschung ist, dass sowohl der sozioökonomische Status als auch die Gesundheit sich im gesamten Lebenslauf nicht nur verändern, sondern sich auch gegenseitig beeinflussen”, erklärt Hoffmann.

Deswegen entschieden sich die Forscher, ihre Daten in drei Lebensabschnitte aufzuteilen, um an zwei Übergängen, nämlich dem von der Kindheit ins Erwachsenenalter und dem vom Erwerbsalter ins hohe Alter, untersuchen zu können, welche Kausalitätsrichtung dominiert. Dies sei ein Alleinstellungsmerkmal der aktuellen Studie, sagt Hoffmann. “Frühere Studien haben sich nur eine bestimmte Phase im Lebenslauf oder den Lebenslauf als Ganzes angeschaut. Unsere Studie untersucht erstmals, ob und wie sich die relative Bedeutung von ‘social causation’ und ‘health selection’ im Laufe eines Lebens verändert.”

In ihren Berechnungen konnten die Forscher bestätigen, dass sozioökonomischer Status und Gesundheit direkt miteinander zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen - ein geringer sozioökonomischer Status geht meist mit einer schlechteren gesundheitlichen Verfassung einher, während Menschen mit einem höheren sozioökonomischem Status im Schnitt gesünder sind. Sie haben auch bestätigen können, dass der sozioökonomische Status sich über den Lebensverlauf hinweg verfestigt. Vor allem aber stellten sie fest, dass bei dem Übergang von Kindheit zu Erwerbsalter beide möglichen Kausalitätsrichtungen - also sowohl "social causation" (sozioökonomischer Status beeinflusst die Gesundheit), als auch "health selection" (Gesundheit beeinflusst den sozioökonomischen Status) - gleich wichtig waren. Interessanterweise blieb diese Situation aber nicht bestehen, sondern ändert sich beim Übergang vom Erwerbsalter zum hohen Alter. Hier überwiegt eindeutig der Einfluss des sozioökonomischen Status auf die Gesundheit. Mögliche Erklärungen seien, dass das Auftreten von Gesundheitsproblemen im Alterungsprozess ganz besonders abhängig von sozialen Faktoren ist, und dass sich bei Bezug von Rente die Gesundheit weniger auf den sozioökonomischen Status auswirken könne, so Hoffmann.

Die Ergebnisse der Forscher sind von gesellschaftlicher Relevanz, weil Krankheit hohe Kosten im Gesundheitswesen verursacht. Hoffmann: “Nur wenn wir wissen, wie Gesundheit und Wohlstand im Lebenslauf interagieren, können für jede Altersgruppe die richtigen politischen Maßnahmen zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit ergriffen werden.”

Mehr Informationen

Original-Artikel: HOFFMANN, R., KROEGER, H. & PAKPAHAN E., Pathways between socioeconomic status and health: Does health selection or social causation dominate in Europe? Advances in Life Course Research, 2018

HOFFMANN, R., KROEGER, H. & GEYER, S.: Social Causation Versus Health Selection in the Life Course: Does Their Relative Importance Differ by Dimension of SES?, Social Indicators Research (2018)

HOFFMANN, R., KROEGER, H. & PAKPAHAN E., The reciprocal relationship between material factors and health in the life course: evidence from SHARE and ELSA, European Journal of Ageing (2018)

Kontakt

Leiterin des Arbeitsbereichs Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen

Silvia Leek

E-Mail

+49 381 2081-143

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

Silke Schulz

E-Mail

+49 381 2081-153

Was nun?

Zur Startseite

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.