15. Mai 2012 | News | Posterpreis

Wie sich Grippe-Viren verbreiten

Transmissions-Elekronen-Mikroskopie-Bild von Viren der Spanischen Grippe. © CDC / Cynthia Goldsmith

Die MPIDR-Forscher Carlo Giovanni Camarda und Jim Oeppen sind auf der diesjährigen Konferenz der Population Association of America (PAA) für ihr gemeinsames Poster ausgezeichnet worden. Sie stellten einen neuen Ansatz vor, mit dem Grippe-Pandemien besser untersucht werden können.

In dem Projekt, das sie auf der Konferenz, die vom 3. bis 5. Mai 2012 in San Francisco stattfand, präsentierten, beschrieben die beiden Forscher der Arbeitsgruppe “Altern und Langlebigkeit” eine neue Technik, mit der sich die so genannte “Basisreproduktionszahl” (Reproduction number) einer Pandemie berechnen lässt. Die Basisreproduktionszahl ist eine wichtige Kennziffer für Epidemiologen. Sie gibt an, wie viele weitere Menschen durch einen Erkrankten im Verlauf der Infektion angesteckt werden. Wenn diese Zahl größer als eins ist, breitet sich der Virus pandemisch aus. Das Ausbreitungsmuster gleicht dann einem Baum, der sich immer weiter verästelt. Die Maßnahmen, die die Behörden ergreifen, zielen deshalb darauf ab die Basisreproduktionszahl auf unter eins zu drücken. Ist das geschafft, gilt die Pandemie als eingedämmt. Wenn die Zahl verhältnismäßig klein ist, kann man dies erreichen, indem man zum Beispiel Schulen schließt, um die Anzahl der Kontakte zwischen den Menschen zu reduzieren. Die Zahl hat aber auch noch eine weitere Bedeutung: Anhand ihrer können die Gesundheitsbehörden berechnen, welcher Prozentsatz der Bevölkerung geimpft werden müsste, um eine weitere Pandemie zu vermeiden.

Das Problem bei dem Errechnen dieser Zahl: Viele Erkrankungsfälle, die am Wochenende oder an Feiertagen auftreten, werden meist erst am darauffolgenden Tag gemeldet. Dadurch werden, über die Woche hinweg, mal zu wenige, mal zu viele Fälle gezählt, was die Berechnung des tatsächlichen Musters der Weiterverbreitung des Virus verfälscht. Diesem Problem trägt der Ansatz der beiden Forscher Rechnung: Mit ihrer Methode werden die Daten korrigiert und gleichzeitig die Basisreproduktionszahl neu ermittelt.

Angewandt auf die Daten der Russischen Influenza-Pandemie in den Jahren 1889 und 1890 in England und Wales und auf die Daten der Spanischen Grippe-Pandemie in Chicago im Jahr 1918, konnten die Forscher nachweisen, dass die fehlende Registrierung an den Wochenenden zu ungenauen Schätzungen der Basisreproduktionszahl führten. Bei der Pandemie in Chicago ergaben die Rohdaten eine geschätzte Basisreproduktionszahl von 4,3; mit den korrigierten Daten fiel sie auf 3,3. Die Wissenschaftler konnten auch nachweisen, dass das übliche Verfahren, nur eine einzige Zahl zu nutzen, um die Wachstumsphase eine Pandemie zu beschreiben, in die Irre führt, weil sich diese Zahl ändert bevor die Pandemie ihren Höhepunkt erreicht.

An der Spanischen Grippe-Pandemie, die im Herbst 1918 ausbrach, starben weltweit mehr als 50 Millionen Menschen, manchen Schätzungen zufolge sogar mehr als 100 Millionen. Die Arbeit der beiden Forscher ist Teil der internationalen Forschungsbemühungen vergangene Pandemien besser zu verstehen, um mit zukünftige besser umgehen zu können.

Original-Veröffentlichung

"Estimating the Reproductive Number of an Influenza Epidemic from data with Day-of-the-Week reporting biases", Poster, PAA 2012, Carlo Giovanni Camarda and Jim Oeppen.

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