September 03, 2007 | News

Demografie und göttliche Ordnung

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Vor 300 Jahren wurde Johann Peter Süßmilch, der "Gründervater" der Bevölkerungswissenschaft in Deutschland, geboren

Johann Peter Süßmilch stand in der Mitte seines Lebens, als er 1741 sein Aufsehen erregendes Werk "Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, Tod und Fortpflanzung desselben erwiesen" veröffentlichte. Er verfasste damit eine der ersten wissenschaftlich-systematischen Schriften über die Bevölkerungsstatistik in Deutschland überhaupt und wird deshalb auch als einer der "Gründerväter" der demografischen Forschung in Deutschland bezeichnet.

Am 3. September 1707 wurde Süßmilch als erstes von insgesamt sechs Kindern einer wohlhabenden Kleinunternehmerfamilie im heutigen Berliner Stadtteil Zehlendorf geboren. Schon während seiner Schulzeit zeigte sich sein starkes Interesse an Naturwissenschaften und Medizin. Auch wenn Süßmilch sich schließlich für das Studium der Theologie entschied, das er in Halle und Jena absolvierte, setzte er gleichzeitig doch seine naturwissenschaftlichen und mathematischen Studien fort. In diesen Jahren kam er mit Vertretern der Frühaufklärung und des Pietismus in Deutschland in Berührung. Zugleich erwachte seine Begeisterung für die Bevölkerungsstatistik, die ihn bis zum Ende seines Lebens nicht mehr losließ. Seine erste Stelle als Hauslehrer bot ihm den nötigen Freiraum für seine demografischen Studien. Nach kurzer Dienstzeit als preußischer Feldprediger war er zunächst Pfarrer in der Mark Brandenburg, dann in Berlin. Zugleich machte er sich als Wissenschaftler einen Namen. 1745 wurde er deshalb in die Akademie der Wissenschaften in Berlin berufen. Neben seinem Gelehrtendasein diente er dem König fortan in verschiedenen Ämtern, etwa im Leitungsgremium der evangelischen Landeskirche. Seine Kritik an der Infragestellung der göttlichen Ordnung durch eine allzu rationalistisch ausgerichtete moderne Wissenschaft und seine distanzierte Haltung zu der unter Friedrich dem Großen in Berlin vorherrschenden Frankophilie machte ihn zeitweise zum Außenseiter am Hof und an der Akademie. 1767 starb Süssmilch in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls.

Mit der "Göttlichen Ordnung" legte Süssmilch, darin vornehmlich von englischen Autoren beeinflusst, die mithin erste systematische Analyse zur Bevölkerungsstatistik in Deutschland vor. Süssmilch beschrieb demografische Phänomene, die noch heute zu den zentralen Ansatzpunkten der Bevölkerungswissenschaft gehören: das Heiratsverhalten, die Fertilität und die Geburtenrate, die durchschnittliche Lebenserwartung und Altersverteilung sowie die Höchstaltrigkeit, die Mortalitätsrate und die unterschiedlichen Todesursachen (insbesondere durch Krankheiten), Unterschiede bei Männern und Frauen, die Gesamteinwohnerzahl und die Verluste durch Abwanderung, der Geburtenüberschuss und das Bevölkerungswachstum, schließlich auch die unterschiedliche demografische Entwicklung in städtischen und ländlichen Räumen. Dabei verglich er verschiedene Länder und Regionen in Deutschland und Europa miteinander und beschrieb die demografische Entwicklung aus umfangreichen bevölkerungsstatistischen Daten, die er unter Anwendung mathematischer Methoden und in Sterbetafeln in Beziehung zueinander zu setzte. Auch wenn er im Ansatz soziale Faktoren für das demografische Verhalten erkannte und eine aktive staatliche Bevölkerungspolitik und Gesundheitsvorsorge forderte, sah er in der Entwicklung als Gesamtes doch eine Regelmäßigkeit, die er auf eine dem Menschen zugewandte "Vorsehung Gottes" zurückführte, insbesondere durch ein maßvolles Bevölkerungswachstum. In einer der ersten globalen Bevölkerungsprognosen errechnete er auf der Basis der "Tragfähigkeit" der Erde eine Obergrenze für die Weltbevölkerung von 7 Milliarden (derzeit liegt sie bei etwa 6,6 Milliarden).

Die "Göttliche Ordnung" fand große Beachtung in Europa und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der Bevölkerungswissenschaft. So hat etwa Thomas Robert Malthus das Werk intensiv rezipiert. In der 1761 erschienenen, erheblich überarbeiteten Auflage seines Buches hat Süssmilch viele Anregungen von kritischen Lesern aufgenommen, unter anderem des bedeutenden Mathematikers Leonhard Euler.

Vgl. Johann Peter Süßmilch (Die göttliche Ordnung in den Veränderungen des menschlichen Geschlechts: aus der Geburt, dem Tode und der Fortpflanzung desselben erwiesen, 1741, 2. Aufl. 1761/1762); Friedrich Wilhelm Graf (Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 11, 1996); Jacqueline Hecht (Population Studies 41, 1987); Ursprünge der Demographie in Deutschland: Leben und Werk Johann Peter Süssmilch’s (hg. von Herwig Birg, 1986). Hier auch Hinweise auf ältere Literatur.

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