08. Oktober 2012 | News | New Publication

Demografische Wunder in der Wüste

Der Ökologe Roberto Salguero-Gómez untersucht Wüstenpflanzen mit demografischen Methoden, um herauszufinden wie stark sie unter dem Klimawandel leiden. Seine Ergebnisse überraschen: Einigen Pflanzen scheinen die Veränderungen sogar zugute zu kommen.

Trockengebiete – Wüsten, Savannen und Steppen - sind die größten terrestrischen Ökosysteme. Sie bedecken über 40 Prozent der Erdoberfläche, rund 38 Prozent aller Menschen dieser Welt leben dort.

Klima-Modelle, mit deren Hilfe Wissenschaftler versuchen vorherzusagen, welchen Einfluss der Klimawandel auf die unterschiedliche Ökosysteme hat, prognostizieren den Regionen eine schlechte Zukunft: Steigende Temperaturen, weniger Niederschlag und vor allem Regen, der immer unregelmäßiger fällt. Allesamt Voraussetzungen, die grundsätzlich erst einmal ungünstig für Pflanzen zu sein scheinen.

Um eine Idee davon zu bekommen, wie sich der Klimawandel auf die Pflanzenpopulationen auswirkt, arbeiten die Forscher bisher meist mit Mittelwerten –jährliche Mittelwerte in der Temperatur und dem Niederschlag beispielsweise. “Diese Methodik ist weit verbreitet, auf Wüstenpflanzen lässt sie sich aber nicht anwenden,” sagt der MPIDR-Wissenschaftler Roberto Salguero-Gómez.

Denn mit Pflanzen aus Breitengraden, die fest mit immer ähnlichen Witterungsbedingungen in den verschiedenen Jahreszeiten rechnen können, lassen sie sich kaum vergleichen. Auch ohne Klimawandel mussten sie sich im Laufe der Evolution den extremen klimatischen Bedingungen dieser Trockengebiete anpassen — Anpassungen, die ihnen jetzt zugute kommen.

Einige Arten nutzen Jahre mit viel Niederschlag, um viele Samen zu produzieren. Bei anderen Arten haben die Samen so etwas wie einen Sensor für die Niederschlagsmengen: Fallen nur ein paar Tropfen Regen, keimen sie nicht aus.  Nur wenn es nach Jahren extremer Trockenheit mal wieder sehr viel Niederschlag gibt, fangen sie an zu wachsen. Der Vorteil: Vielen Arten, mit denen sie um Lebensraum konkurrieren, haben die trockenen Jahre sehr zugesetzt und die Gesamtpopulation ausgedünnt. Diejenigen, die auf den großen Regen gewartet haben, haben nun viel freie Fläche, um sich auszubreiten.

“Jährliche Mittelwerte in den Niederschlagsmengen zu nehmen, um vorherzusagen, wie sich die Populationen entwickeln könnten, das entspricht einfach nicht der besonderen Physiologie dieser Pflanzen”, fasst Roberto Salguero-Gomez zusammen.

Deswegen hat er mit seinen Forscherkollegen Wolfgang Siewert und Katja Tielbörger, von der Universität Tübingen und Brenda Casper von der University of Pennsylvania zwei Langzeitstudien, in denen über viele Jahre hinweg die Verbreitung zweier Pflanzenarten aus zwei Wüsten in den USA und in Israel genau dokumentiert wurde, erneut untersucht.

Anhand der Daten aus den Langzeitstudien, sowie anhand eines Klimamodells und  einer Berechnungsmethode aus der demografischen Forschung haben die Wissenschaftler ein neues Modell entwickelt, das Aufschluss darüber geben soll, welchen Verlauf die Entwicklung der Pflanzenpopulation nehmen wird. Die Ergebnisse, die sie jetzt in der Fachzeitschrift „Philosophical Transactions B“ der Royal Society London veröffentlicht haben, erstaunen: Die veränderten Witterungsbedingungen scheinen den Pflanzenpopulationen nicht zu schaden. Ganz im Gegenteil: Sie scheinen von dem Klimawandel sogar zu profitieren. "Sie passen sich sehr gut an," sagt Roberto Salguero-Gómez. "Sie scheinen einfach noch sehr viel Puffer zu haben, um diese klimatischen Veränderungen abzufangen."

Diese Entwicklungen weiter zu verfolgen und zu untersuchen, sei extrem wichtig, betont der Wissenschaftler. Zum Beispiel, um abschätzen zu können, welche Maßnahmen in der Armutsbekämpfung langfristig die richtigen sind, und wo sie anzuwenden sind. Denn die meisten Trockengebiete befinden sich in den ärmsten Regionen der Welt, in Afrika, Zentralasien und Südamerika. Viele Menschen leben dort, die mit den wenigen Ressourcen auskommen müssen, die diese kargen Landschaften bieten. Und es werden mehr: Denn dass der Klimawandel dazu führt, dass der Anteil dieser trockenen Gebiete zunimmt, ist unbestritten. Umso wichtiger ist es, abschätzen zu können, wie der Klimawandel sich tatsächlich auf die Pflanzen, die Nahrung für den Menschen und Futter für die Nutztiere sind, in diesen Lebensräumen auswirkt. 

Über den Autor

Roberto Salguero-Gómez ist Postdoc in dem Arbeitsbereich Evolutionäre Biodemografie. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Pflanzenphysiologie und die Demografie von Wüsten-Pflanzen.

Weitere Informationen

Impacts of global environmental change on drylands: from ecosystem structure and functioning to poverty alleviation - link zu dem Themenheft.

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