02. November 2012 | News | Neue Veröffentlichung in Science

Die Wurzeln des Alterns

© iStockphoto.com/Wild Roses Images

Warum altern wir überhaupt? Laut der klassischen Evolutionstheorie erhält sich das Altern, weil höhere Altersgruppen weniger stark der Selektion ausgesetzt sind. Die beiden MPIDR-Wissenschaftler Annette Baudisch und James W. Vaupel sagen nun: Nein, die Gründe fürs Altern müssen wir an anderer Stelle suchen. Ihre Begründung haben sie in der aktuellen Ausgabe von Science veröffentlicht.

Wäre tatsächlich der sinkende Selektionsdruck ausschlaggebender Grund für die Evolution des Alterns, so sollten alle Arten, die mit steigendem Alter gleichermaßen den schwindenden evolutionären Kräften ausgesetzt sind, ein für das Altern typisches Muster aufweisen: das Sterberisiko müsste steigen und die Fertilität abnehmen.
“Die Daten zeigen uns aber ein anderes Bild“, sagt Autorin Annette Baudisch. Obwohl der Selektionsdruck in frühen Erwachsenenaltern für Mensch und Tier generell höher ist als in späteren Jahren, so gibt es Arten, wie zum Beispiel eine Landschildkrötenart, deren Sterberisiko mit wachsendem Alter sinkt. Bei dem Süßwasserpolypen Hydra ist das Sterberisiko über die ganze Lebensspanne hinweg gleichbleibend.

“Wir müssen den Alterungsprozess anders betrachten, um die Kluft zwischen Theorie und Daten erklären zu können”, sagt Annette Baudisch.

Ein Ansatz wäre zum Beispiel die so genannte “Allokations-Theorie”, die sowohl in der „life history biology“ als auch in den Wirtschaftswissenschaften angesiedelt ist. Die Idee: Es gibt eine begrenzte Menge an Ressourcen und die gilt es, richtig einzusetzen. In der Wirtschaft sind dies zum Beispiel Arbeitskräfte, Kapital oder Rohstoffe. Für Lebewesen in der Natur sind es Wasser, Licht, und Nährstoffe. Diese können genutzt werden, um Nachkommen zu zeugen, welche den Arterhalt zu gewährleisten. Oder aber man setzt sie ein, um das eigene Überleben zu sichern.

“Jeder Organismus muss die schwierige Entscheidung, wie er diese Ressourcen einsetzt, in jedem Altersstadium ständig neu fällen”, so Annette Baudisch. Bei diesen Entscheidungen gibt es Zielkonflikte: Wo lohnt es sich zu investieren – in das Überleben oder in die Fortpflanzung? Beide Faktoren sind von essentieller Bedeutung für die „evolutionäre Fitness“. Meist können sie aber nicht gleichzeitig maximiert werden. Wie die Entscheidung tatsächlich ausfällt, das kann von Lebensform zu Lebensform sehr unterschiedlich sein. So können einige Arten, wie der Süßwasserpolyp Hydra, die Zahl ihrer Nachkommen erhöhen, ohne die eigenen Überlebenschancen merkbar zu mindern. Bei anderen Arten, wie etwa bei den meisten Säugetieren, wäre ein solcher Anstieg der Fertilität mit erheblichem Mehraufwand verbunden, was sich sowohl auf die Überlebenschancen jedes einzelnen Jungtieres, als auch auf das Wohlergehen der erwachsenen Tiere auswirken würde.

„Um mehr über das Altern zu erfahren, müssen wir verstehen, wie derartige Zielkonflikte zwischen  Wachsen, Überleben und Fortpflanzung bei verschiedenen Tier- und Pflanzenarten aussehen“, sagt Annette Baudisch. Denn nur so könne man vielleicht auch eines Tages verstehen, welche Faktoren beim Menschen dafür verantwortlich sind, dass sein Sterberisiko mit dem Alter steigt, und welche Faktoren es sind, die den dramatischen Anstieg der menschlichen Lebenserwartung im letzen Jahrhundert zugelassen haben. 

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