31. Oktober 2019 | News | Neue Publikation

In England verbessert sich die Sterblichkeit nicht mehr

© krblokhin/iStockphoto.com

Lange übersehen und jetzt bei detaillierter Datenanalyse entdeckt: Männer und Frauen in jungem und mittlerem Alter in England und Wales haben seit der 2000er-Jahre eine deutlich höhere Sterblichkeitsrate als dieselben Altersgruppen in vergleichbaren Ländern.

In England und Wales verlangsamte sich seit 2011 die Verbesserung der Lebenserwartung bei Geburt deutlich. Nach neuen Analysen, die im Journal Lancet Public Health veröffentlicht wurden, gehören die beiden Länder nun zu den Schlusslichtern im Vergleich zu anderen Ländern mit hohem Einkommen.

In der bislang detailliertesten Studie zu diesem negativen Gesundheitstrend verglich ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung Rostock (MPIDR) und der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) die Sterblichkeit und die Lebenserwartung in England und Wales zwischen 1970 und 2016 mit jener von 22 anderen Ländern mit hohem Einkommen. Die Gruppe der Vergleichsländer bestand aus 17 westeuropäischen Ländern sowie Australien, Kanada, Neuseeland, Japan und den USA.

Von Anfang der 1970er-Jahre bis 2010 entsprach die Lebenserwartung der Männer in England und Wales dem durchschnittlichen Niveau der 22 anderen Länder. Die Frauen blieben allerdings schon in diesem Zeitraum hinter den meisten Vergleichsländern zurück. Mitte der 80er Jahre lagen Engländerinnen und Waliserinnen im internationalen Vergleich auf dem 18. Platz, 2016 auf dem 20 Platz. Nur Frauen in Dänemark, Schottland und den USA hatten eine geringere Lebenserwartung. „Der entscheidende Faktor für die schlechte Situation ist wohl, dass viele Frauen, die um 1925 geboren wurden, stark geraucht haben. Zwischen den 1970er- und 2000er-Jahren hat diese Kohorte besonders zur Sterblichkeit beigetragen“, sagt Dmitri Jdanov, Leiter des Arbeitsbereichs demografische Daten am MPIDR.

Unerwartete Stagnation der Lebenserwartung bei jungen Erwachsenen

Im Jahr 2011 stagnierte die Lebenserwartung in England und Wales, das hatte es in den vorangegangenen 50 Jahren nicht gegeben. In den fünf darauffolgenden Jahren stieg die Lebenserwartung der Männer um nur 0,4 Jahre. Die Lebenserwartung der Frauen verbesserte sich sogar noch weniger, um nur 0,1 Jahre. Zum Vergleich: In den anderen 22 Ländern stieg die Lebenserwartung im selben Zeitraum um 1,0 Jahre für Männer und 0,7 Jahre für Frauen – also eine deutlich höhere Steigerung. Auch in einigen der Vergleichsländer wächst die Lebenserwartung seit 2011 langsamer als zuvor, aber die Trends in England und Wales gehören zu den schlechtesten.

Dmitri Jdanov, Vladimir Shkolnikov, Forscher am MPIDR, und ihr Kollege David Leon vom LSHTM kamen zu diesen Erkenntnissen, indem sie Daten aus der Human Mortality Database analysierten.

Die überraschendste Erkenntnis der Studie war, dass die Sterblichkeitsrate bei Männern und Frauen zwischen 25 und 50 Jahren in England und Wales heute 20 bis 40 Prozent über dem Durchschnitt der 22 anderen untersuchten Länder liegt. Anfang der 2000er Jahre begann sich die Rate zu steigern, dies setzte sich bis 2016 stetig fort.

Bisher hatte sich die Forschung vor allem auf den langsameren Rückgang der Sterblichkeit bei älteren Bevölkerungsgruppen im Vereinigten Königreich konzentriert. Die Stagnation für die jüngere Bevölkerung war dabei übersehen worden. Erst durch die neue Detailanalyse wurde klar, dass diese Altersgruppe im Vergleich zu anderen Ländern eine negative Dynamik aufweist. „Die höhere Sterblichkeit unter jungen Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter in England und Wales im Vergleich zu anderen Ländern mit hohem Einkommen muss genauer untersucht werden", sagt Vladimir Shkolnikov.

Ist die maximale Lebenserwartung erreicht?

Könnte die immer langsamere Steigerung der Lebenserwartung in England und Wales darin begründet sein, dass sich die Menschheit allmählich einer biologischen Grenze der Lebenserwartung nähert? Die Forscher sind sich ziemlich sicher, dass es nicht so ist. Denn es gibt mehrere Länder und große Bevölkerungsgruppen, die eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als im Vereinigten Königreich und trotzdem werden die Menschen dort immer noch älter.

Insbesondere in Italien, Japan, Neuseeland, Norwegen und der Schweiz hat sich der Trend zu einer immer höheren Lebenserwartung in den Jahren 2011 bis 2016 nicht abgeschwächt. Und das, obwohl diese Länder schon 2011 vor England und Wales lagen. Außerdem steigt die Lebenserwartung auch in hochgebildeten Gruppen in vielen Ländern weiter an, obwohl sie dort jetzt schon höher ist als in der Gesamtbevölkerung irgendeines Landes. Egal wie hoch die biologische Obergrenze für die Lebenserwartung des Menschen sein mag – die Bevölkerung im Vereinigten Königreich hat sie noch lange nicht erreicht.

Originalpublikation

Leon, D., Jdanov, D., Shkolnikov, V.:Trends in life expectancy and age-specific mortality in England and Wales, 1970–2016, in comparison with a set of 22 high-income countries: an analysis of vital statistics data. The Lancet Public Health (2019). DOI: doi.org/10.1016/S2468-2667(19)30177-X

Kontakt

Leiter des Arbeitsbereichs Demografische Daten
Gastwissenschaftler

Kontakt

Leiterin des Arbeitsbereichs Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen

Silvia Leek

E-Mail

+49 381 2081-143

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

Silke Schulz

E-Mail

+49 381 2081-153

Was nun?

Zur Startseite

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.