10. Oktober 2023 | News | Blickpunkt

Sterblichkeit im Rentenalter der Hauptgrund für die nicht mehr steigende Lebenserwartung in den USA

[BLICKPUNKT]

Studie identifiziert Zunahme der Sterblichkeit ab 65 Jahren als treibende Kraft

In den USA steigt die Lebenserwartung seit 2010 nicht mehr an, nachdem sie über Jahrzehnte hinweg stetig zugenommen hatte. Im Gegensatz dazu hat sich die Lebenserwartung in den meisten anderen Ländern weiter verbessert. Frühere Studien haben gezeigt, dass das schlechte Abschneiden der USA auf die hohe Sterblichkeit der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zurückzuführen ist. Eine neue Studie zeigt, dass der Hauptgrund für die stagnierende Lebenserwartung die hohe Sterblichkeit im Rentenalter ist. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die Lebenserwartung in den USA.

In den USA stagniert die Lebenserwartung seit 2010. © iStockphoto.com/shapecharge

Forscher*innen der Tufts University, Medford (USA), des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock und der University of Texas Medical Branch (USA) haben in der aktuellen Studie untersucht, warum die Lebenserwartung in den USA nicht so stark steigt wie in anderen Ländern und welche Altersgruppen dafür verantwortlich sind. Sie haben die jährlichen Sterberaten der USA für die Jahre 2000 bis 2019 nach Geschlecht und Altersgruppen ausgewertet und dafür Daten aus der Human Mortality Database verwendet. Dabei haben die Wissenschaftler*innen die Zeiträume 2000 bis 2009 und 2010 bis 2019 miteinander verglichen. Für den Zeitraum 2010 bis 2019 haben sie zudem berechnet, wie sich die Lebenserwartung hypothetisch entwickelt hätte, wenn die altersspezifischen Sterblichkeitsraten weiter wie in den vergangenen Jahren angestiegen wären.

Die Studie belegt, dass die Altersgruppe 65 plus eine Schlüsselrolle bei der seit 2010 stagnierenden Lebenserwartung in den USA spielt. „Ein Großteil der Mortalitätsforschung in den USA hat sich auf Erwachsene im erwerbsfähigen Alter konzentriert. Denn hier steigt die Zahl der Todesfälle durch Drogenüberdosierungen, Suchterkrankungen und Suizid sowie durch Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen im mittleren Lebensalter stark an. In unserer Studie zeigen wir, dass der Sterblichkeitstrend ab 65 Jahren eine größere Rolle für die Stagnation der Lebenserwartung sowie für die Übersterblichkeit und den Verlust an Lebensjahren im Jahr 2019 spielt. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die USA einem "doppelten Risiko" ausgesetzt sind, das sich sowohl aus der Entwicklung der Sterblichkeit im mittleren Lebensalter als auch aus der Entwicklung der Sterblichkeit im höheren Lebensalter ergibt, wobei letztere schwerer wiegt“, erklärt Mikko Myrskylä, Direktor des MPIDR.

Die Abbildung zeigt für die Jahre 2000 bis 2019 die reale und die kontrafaktische Lebenserwartung im Alter von 25 Jahren. © MPIDR

Gegenwärtig konzentrieren sich Forschung und Politik in den USA vor allem auf die Opiatepidemie und die damit verbundenen Todesfälle. Die Aufdeckung der Auswirkungen der Sterblichkeit im Alter hat weitreichende Konsequenzen für die Politik. „Es liegt auf der Hand, dass dieselben Ursachen, die zu einem Anstieg der Sterblichkeit im erwerbsfähigen Alter führen, auch zu einem Anstieg der Sterblichkeit im höheren Alter beitragen. Allerdings sind gesundheitliche Ursachen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei älteren Menschen von größerer Bedeutung. Sie sind eine wichtige Ursache für die Stagnation der Lebenserwartung in den USA. Etwa zwei Drittel dieser Todesfälle treten nach dem Alter von 75 Jahren auf. Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht und Diabetes können hier eine zentrale Rolle spielen“, so Leah Abrams, Erstautorin der Studie. Mangelnder Zugang zu guter medizinischer Versorgung ist ein weiterer Faktor, der die Lebenserwartung älterer Menschen deutlich verkürzen kann.

„Damit die Lebenserwartung in Zukunft wieder so schnell steigt wie in der Vergangenheit, müssen die Ursachen für die erhöhte Sterblichkeit ab 65 Jahren besser verstanden und bekämpft werden. Künftige Forschungsarbeiten sollten speziell die Todesursachen und die vorgelagerten Faktoren vergleichen, die zu den ungünstigen Sterblichkeitstrends im Erwerbsalter und im hohen Alter beitragen“, erklärt Neil Mehta, Co-Autor der Studie.

Open Data

Die in dieser Analyse verwendeten Daten sind öffentlich zugänglich und stammen aus der Human Mortality Database. Der Code und die Dokumentation sind hier verfügbar. 

Originalpublikation

Abrams, Leah R.; Myrskylä, Mikko; Mehta, Neil K.: The “double jeopardy” of midlife and old age mortality trends in the United States in PNAS. DOI: https://doi.org/10.1073/pnas.2308360120

Autoren und Affiliationen

Leah R Abrams, Department of Community Health, Tufts University, Medford, MA USA;

Mikko Myrskylä, Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR), Rostock, Germany, Population Research Unit, University of Helsinki, Helsinki, Finnland, Max Planck – University of Helsinki Center for Social Inequalities in Population Health, Rostock, Germany and Helsinki, Finnland

Neil K Mehta, Department of Epidemiology, University of Texas Medical Branch, Galveston, TX, USA;

Keywords

Lebenserwartung, Sterblichkeitstrends, Alterung der Bevölkerung

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