24. Juli 2023 | News | News Publication
Suche nach Gründen für den Anstieg der Totgeburtenrate in Deutschland
Die Rate der Totgeburten in Deutschland steigt seit 2009 kontinuierlich. Die Gründe dafür sind bislang unklar. Forscher*innen des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) und der Universität Rostock haben mit Hilfe einer Dekompositionsanalyse untersucht, welchen Einfluss demografische Faktoren wie das Alter und die Staatsangehörigkeit der Schwangeren auf den Anstieg der Totgeburtenrate in Deutschland haben.
Während die Totgeburtenrate zwischen 2000 und 2008 von 4,0 auf knapp 3,5 sank, wird seit 2009 ein kontinuierlicher Anstieg auf 3,8 in 2018 beobachtet. „In unserer aktuellen Studie haben wir untersucht, ob dieser Anstieg auf strukturelle Veränderungen in der Bevölkerung zurückzuführen ist und ob es Zusammenhänge mit dem Alter und der Staatsangehörigkeit der Gebärenden gibt“, erklärt Maxi Kniffka, Wissenschaftlerin und Doktorandin am MPIDR.
© MPIDR
Die ausgewerteten Daten stammen aus der Geburtenstatistik des Statistischen Bundesamtes und der Gesundheitsberichterstattung des Bundes. „Mit Hilfe einer Dekompositionsanalyse haben wir den Anstieg der Totgeburtenrate zwischen 2009 und 2018 in einen Struktur- und einen Mortalitätseffekt zerlegt“, sagt Kniffka. Bei einer Dekompositionsanalyse wird untersucht, welcher Teil des Anstiegs der Totgeburtenrate auf eine Veränderung der Sterblichkeit in der untersuchten Bevölkerungsgruppe zurückzuführen ist, und welcher Teil auf eine Veränderung der Bevölkerung selbst – z.B. durch eine Zunahme risikoreicherer Schwangerschaften.
Im Jahr 2018 war die Totgeburtenrate bei Schwangeren unter 20 Jahren und über 40 Jahren am höchsten. Die niedrigsten Totgeburtenraten gab es bei Gebärenden im Alter von 25 bis 34 Jahren. Die Totgeburtenrate bei Gebärenden mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit lag 2018 um 19,8 Prozent höher als bei Gebärenden mit deutscher Staatsangehörigkeit. Zwischen 2009 und 2018 ist die Totgeburtenrate jährlich um etwa 0,75 Prozent gestiegen. Am stärksten stieg sie bei Gebärenden mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit.
Die Dekompositionsanalyse ergab, dass die Totgeburtenrate durch die veränderte Altersstruktur sogar gesunken wäre. Die Betrachtung der Veränderung der Sterblichkeit innerhalb der Altersgruppen zeigt hingegen, dass die Rate noch stärker angestiegen wäre als beobachtet. Der erhöhte Anteil der nichtdeutschen Schwangeren ließ die Totgeburtenrate nur in einem sehr geringen Maß steigen. Der größte Teil des Anstiegs der Totgeburtenrate in Deutschland ist somit auf eine erhöhte Sterblichkeit der Ungeborenen zurückzuführen. „Die Gründe für den Anstieg der Totgeburtenrate in Deutschland liegen jenseits der offensichtlichen demografischen Veränderungen. Warum die Fetal-Sterblichkeit in Deutschland gestiegen ist, muss noch weiter untersucht werden“, sagt Maxi Kniffka.
Originalpublikation
Kniffka, M.S., Rau, R., Kühn, M., Schöley, J., Nitsche, N.: Steigende Totgeburtenraten in Deutschland. Der Einfluss von Strukturveränderungen in der Bevölkerung. Deutsches Ärzteblatt (2023). https://www.aerzteblatt.de/archiv/232756/Steigende-Totgeburtenraten-in-Deutschland
Autor*innen und Institutionen
Maxi Stella Kniffka, Universität Rostock; Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Roland Rau, Universität Rostock; Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Mine Kühn, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Jonas Schöley, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Natalie Nitsche, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Goethe-Universität Frankfurt