22. Juni 2022 | Pressemitteilung

LinkedIn-Daten geben Aufschluss über die Bereitschaft, für einen Job umzuziehen

© iStockphoto.com/OhmZ

In ihrer neuesten Studie zeigen MPIDR-Forscherin Daniela Perrotta und Co-Autor*innen, wie ein neuartiger LinkedIn-Datensatz verwendet werden kann, um die Bereitschaft von Arbeitssuchenden in Europa zu beschreiben innerhalb des Kontinents umzuziehen. Sie stellen fest, dass in absoluten Zahlen die Länder in Nord- und Westeuropa für potenzielle Migrant*innen am beliebtesten sind. In Bezug auf die relative Attraktivität - quantifiziert mit Hilfe eines Gravitationsmodells - scheint Südeuropa jedoch interessanter.

„In dieser Studie nutzen wir einen neuen LinkedIn-Datensatz, um die Migrationswünsche von Berufstätigen in Europa zu untersuchen“, sagt Daniela Perrotta, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock. Zuerst betrachteten Daniela und ihre Mitautor*innen nur die deskriptive Statistik und fanden heraus, dass die Länder in Nord- und Westeuropa am beliebtesten sind: Etwa 60 Prozent der LinkedIn-Nutzer*innen, die für eine neue Stelle international umziehen würden, finden diese Regionen als potenziellen Arbeitsort interessant. Nur etwa 40 Prozent sind dagegen offen für einen Umzug nach Südeuropa und etwa 30 Prozent würden in Länder in Osteuropa migrieren. Zusätzlich zu den allgemeinen Migrationswünschen beobachteten die Forschenden auch erhebliche Ungleichheiten bei der Wanderungsrichtung: So würden etwa 20 Prozent der LinkedIn-Nutzer*innen von West- nach Nordeuropa umziehen; aber weniger als 10 Prozent würden in die Gegenrichtung von Nord- nach Westeuropa umziehen.

Um die relative Attraktivität der Länder zu bewerten, nutzten die Forschenden ein Gravitationsmodell als Standardisierungsform. So berücksichtigten sie Datenverzerrungen etwa durch Unterschiede in der Bevölkerungsdichte, der geografischen und sprachlichen Entfernungen sowie die Verbreitung von Internet und LinkedIn. Die Forschenden stellten fest, dass Osteuropa nach wie vor ein recht unattraktives Migrationsziel ist, wohingegen Südeuropa eine sehr begehrte Destination für Arbeitskräfte zu sein scheint. Die Muster der tatsächlichen Migrationsbewegungen könnten sich demnach ändern, wenn sich in Südeuropa mehr Möglichkeiten für Arbeitnehmende ergäben.

Studie trägt dazu bei, die Datenlücke bei den Migrationspotenzialen zu verkleinern

„Wenn man nur die deskriptiven LinkedIn-Daten betrachtet, ist die Offenheit für einen berufsbedingten Umzug nach Südeuropa recht gering. Berücksichtigt man jedoch die Verzerrungsfaktoren, die in das Gravitationsmodell einfließen, so scheint Südeuropa relativ gesehen ein sehr begehrtes Ziel zu sein“, sagt Daniela Perrotta.

Jede Zelle ist nach dem Quintil des prozentualen Fehlers eingefärbt: Zellen mit beobachteten Werten, die viel niedriger als vorhergesagt sind in blau; Zellen mit beobachteten Werten, die viel höher sind als vorhergesagt in rot. © MPIDR

Grafik herunterladen (PNG-Datei, 182 kB)

Die Daten wurden über die Plattform LinkedIn Recruiter erhoben, die Teil von LinkedIn ist, einem Job-Netzwerk mit fast 800 Millionen Nutzer*innen. „Die Plattform ermöglicht professionelle Rekrutierung durch die Suche nach Stichworten im Profil potenzieller Arbeitnehmender. Für unsere Studie haben wir diese Funktion genutzt, um Migrationswünsche in Europa zu erfassen,“ sagt Daniela Perrotta. Konkret handelt es sich dabei um diejenigen LinkedIn-Nutzer*innen, die in ihrem Profil angegeben haben, dass sie offen für eine neue Stelle sind, und einen oder mehrere potenzielle Arbeitsorte angegeben haben, der nicht der aktuelle Wohnort ist.

Im Vergleich zu Daten aus Umfragen haben die, in dieser Studie verwendeten LinkedIn-Daten den Vorteil, dass sie fortlaufend verfügbar, länder- und sprachübergreifend einheitlich definiert sind und eine weltweite und aktuelle Momentaufnahme der Migrationswünsche bieten. Natürlich bringen auch diese Daten einige Nachteile und Beschränkungen mit sich, die sich aus den Eigenschaften von LinkedIn als Berufsplattform ergeben. „Alternative Datenquellen zur Charakterisierung möglicher, künftiger Migrationsbewegungen und ihrer wichtigsten Triebkräfte zu erforschen, ist von größter Bedeutung um traditionelle Forschungsmethoden zu ergänzen und politische Entscheidungsträger*innen zu informieren,“ sagt Daniela Perrotta. Sie fügt hinzu: „Soweit wir wissen, liefert unsere Studie das erste umfassende Beispiel genau dafür.“

Originalpublikation

Perrotta, D., Johnson, S., Theile, T., Grow, A., de Valk, H., Zagheni, E.: Openness to migrate internationally for a job: Evidence from LinkedIn data in Europe. Proceedings of the Sixteenth International AAAI Conference on Web and Social Media (ICWSM) (2022). pdf

Autor*innen und Institutionen

Daniela Perrotta, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Sarah C. Johnson, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Tom Theile, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

André Grow, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Helga de Valk, Netherlands Interdisciplinary Demographic Institute; Universität Groningen

Emilio Zagheni, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Kontakt

Leiterin des Arbeitsbereichs Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen

Silvia Leek

E-Mail

+49 381 2081-143

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

Silke Schulz

E-Mail

+49 381 2081-153

MPIDR-Autor*innen der Studie

Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Stellvertretende Leiterin Migration und Mobilität

Daniela Perrotta

E-Mail

+49 381 2081-129

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Softwareentwickler

Tom Theile

E-Mail

+49 381 2081-151

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.