13. Januar 2021 | Pressemitteilung

Neues Modell lässt Migrationsbewegungen in verschiedenen Zeiträumen abschätzen

Mit Daten digitaler Kommunikation können Migrationsbewegungen mit einer Methode untersucht werden, die der Survival Function gleicht. © Addictive Stock / photocase.com

Migrationsbewegungen über verschiedene Zeiträume abzuschätzen, ist nun mit einem neuen Modell möglich, das Emilio Zagheni und Kolleg*innen in ihrer Studie im Fachjournal Demography vorstellen.

Das Interesse Big Data zu nutzen, um Migration und Mobilität zu analysieren war noch nie so groß wie heute. Das zeigt sich aktuell auch am enormen Umfang an Forschung, die die Mobilität von Menschen vor und nach einem Lockdown während der COVID-19-Pandemie misst.

Die Studie von Lee Fiorio, Emilio Zagheni und einem internationalen Forscherteam, die jetzt in der Fachzeitschrift Demography veröffentlicht wurde, weist den nächsten Schritt in diesem Forschungsfeld. Emilio Zagheni, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock, und Lee Fiorio, ehemaliger Gastwissenschaftler am MPIDR, untersuchten nicht nur, wie oft Menschen innerhalb ihrer Region mobil waren, sondern auch, wie oft sie ihre Region verließen, also migrierten. „Wir analysierten, wie viele Menschen die Stadt oder Verwaltungseinheit, in der sie leben, innerhalb verschiedener Zeitintervalle wechseln“, sagt Lee Fiorio. Dadurch belegten die Autoren, dass bestehende Methoden der Migrationsmessung für unterschiedliche Zeitintervalle geeignet sind.

Die Forscher nutzten Daten digitaler Kommunikationsmittel, die Informationen darüber enthalten, wo sich Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt aufhielten. Diese Daten kamen in vielen unterschiedlichen Formaten, wie zum Beispiel als Aufzeichnung von Telefonverbindungen, die festhielten wo und wann Anrufe getätigt oder Textnachrichten verschickt wurden.

Da die Demografie-Forscher Migrationsbewegungen auf Bevölkerungsebene analysierten, waren sie nicht daran interessiert, einzelne Personen namentlich zu identifizieren. Stattdessen verwendeten sie anonymisierte Datensätze. Diese bestanden aus Tweets der Jahre 2011 bis 2014, einer Stichprobe von Telefonverbindungen eines Mobilfunkanbieters im Senegal aus dem Jahr 2013 und Informationen darüber wann und wo sich Nutzer*innen in den USA in das mittlerweile eingestellte Soziale Netzwerk Gowalla einloggten.

So analysiert man Migration mit einer Methode, die der Survival Function ähnelt

„Wir haben eine Methode entwickelt, um die Beziehungen zwischen kurzfristiger Mobilität und langfristiger Migration zu untersuchen. Das war nötig, da das Konzept eines einzigen festen Wohnsitzes, etwa durch Telearbeit im digitalen Zeitalter und aktuell während der Pandemie, immer weniger klar definiert ist“, sagt Emilio Zagheni.

Die Forscher zeigten, dass es möglich ist, Migration mit einer Methode zu untersuchen, die einer Survival Function ähnelt. Dafür nutzten sie Informationen über Zeitverläufe in ihren Daten. Von einem festgelegten Referenzpunkt aus, ermittelten sie für eine bestimmte Population, wie sich der Anteil einzelner Personen, die den Standort wechselten, mit zunehmenden Zeitintervall vergrößerte. Diese Methode ist auch nützlich, wenn man Migrationsstatistiken von Behörden in unterschiedlichen Ländern vergleichen möchte, die verschiedene Definitionen der Migrationsmessung verwenden.

Ein Problem mit Big Data ist, dass sie großen Tech- und Telekommunikationsunternehmen gehören, die den Zugang beschränken. „Ich würde mich freuen, wenn unsere Studie Demograf*innen und andere Forschende dazu ermutigen würde, darüber nachzudenken, was man mit den hochgranularen Daten digitaler Kommunikation machen kann“, sagt Lee Fiorio. „Es entstehen immer größere Mengen dieser Daten. Deshalb sollten Demograf*innen sicherstellen die Diskussionen darüber anzuführen, wie man Big Data in der Bevölkerungsforschung so nutzt, dass die Privatsphäre geschützt bleibt.“

Originalpublikation

Fiorio, L., Zagheni, E., Abel, G., Hill, J., Pestre, G., Letouzé, E., Cai, J.: Analyzing the Effect of Time in Migration Measurement Using Geo-referenced Digital Trace Data. Demography. (2021) DOI: 10.1215/00703370-8917630

Autoren and Arbeitgeber

Lee Fiorio, University of Washington

Emilio Zagheni, Max Planck Institute for Demographic Research, Rostock

Guy Abel, Asian Demographic Research Institute, Shanghai University 
Wittgenstein Centre (IIASA, VID/ÖAW, WU), International Institute for Applied Systems Analysis

Jonathan Hill, University of Washington

Gabriel Pestre, Data-Pop Alliance

Emmanuel Letouzé, Data-Pop Alliance, Massachusetts Institute of Technology Media Lab 

Jixuan Cai, Department of Geography and Resource Management, The Chinese University of Hong Kong, Wittgenstein Centre (IIASA, VID/ÖAW, WU), International Institute for Applied Systems Analysis

Kontakt

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Redakteurin Wissenschaftskommunikation

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Autor der Studie

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.