02. Mai 2023 | Pressemitteilung

Schweden: Ein letztes Lebensjahr mit hohem Pflegebedarf ist die Regel

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Sterben ist heutzutage mit umfangreicher medizinischer Versorgung und Altenpflege verbunden.  Das fand die aktuelle Studie von MPIDR-Forscher Marcus Ebeling und Kolleginnen durch eine neuartige Verknüpfung schwedischer Registerdaten für die Gesamtbevölkerung heraus. Die Forschenden vermuten, dass die Ergebnisse auf einen verlängerten Sterbeprozess hindeuten.

Die meisten Sterbefälle heute entsprechen nicht dem, was wir häufig als „guten“ Tod bezeichnen – etwa mit Kontrolle über den eigenen Körper und Geist, und wenig Pflegebedarf. Das zeigt die neue Studie von Marcus Ebeling, Demograf am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock und seinen beiden Kolleginnen vom Karolinska Institut in Stockholm. „Unsere Ergebnisse legen die Hypothese nahe, dass die steigende Lebenserwartung gerade in höheren Altersstufen teilweise auf einen verlängerten Sterbeprozess zurückzuführen ist“, sagt Ebeling. Der Frage gehen Demograf*innen weltweit schon seit Jahrzehnten nach, ob die steigende Lebenserwartung auch mehr Lebensjahre in guter Gesundheit oder doch eher längere Krankheitsphasen bringt. Die vorliegende Studie, die im Fachjournal „American Journal of Public Health“ veröffentlicht wurde, ist ein Beitrag zu diesem Diskurs.

Mit ihrem neuartigen Studiendesign untersuchten die Forschenden erstmals das letzte Lebensjahr aller Todesfälle zwischen 2018 und 2020 von Menschen über 70 in Schweden. Das Team identifizierte sechs verschiedene Typen von Verläufen bis zum Tod, je nachdem, ob und wie viel medizinische Versorgung und Altenpflege im letzten Lebensjahr benötigt wurde.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die meisten älteren Menschen in Schweden im letzten Lebensjahr in Langzeitpflege sind“, sagt Marcus Ebeling. Zudem erkennen die Forschenden nach der Datenauswertung, dass sich Verläufe mit besonders hohem Pflege- und Versorgungsbedarfs vor allem bei Todesfällen über 83 (derzeitige durchschnittliche Lebenserwartung in Schweden) häufen. Wie die Forschenden anmerken, sind gerade diese Sterbeverlaufsarten vermutlich relativ teuer für das Gesundheitssystem.

Erste Studie mit Aussagekraft für die gesamte Bevölkerung

„Soweit wir wissen, ist unsere Studie eine der ersten mit einer umfassenden Datenbasis aller Sterbefälle über 70 Jahre, die zeigt, unter welchen Umständen die Menschen sterben“, sagt Marcus Ebeling. Bisherige Studien konzentrierten sich vor allem auf bestimmte Teilaspekte der Gesundheitsversorgung vor dem Tod oder des sozialen Umfelds der Sterbenden und stützten sich meist auf kleinere Stichproben von Daten, etwa aus Krankenhäusern oder Hospizen. „Unser Ansatz bezieht alle Bevölkerungsgruppen ein, also auch die, die traditionell schwer zu erreichen sind, wie etwa Menschen in Pflegeheimen. Dadurch können wir einen direkten Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Verläufen bis zum Tod, dem Sterbealter und der Mortalität der Gesamtbevölkerung ziehen“, sagt Marcus Ebeling. 

Nur mit Erkenntnissen, wie Menschen das Lebensende erleben, lässt sich in alternden Gesellschaften eine Debatte über die Bedeutung des Todes und „gutes“ Sterben führen. „So eine Debatte ist längst überfällig und wir liefern eine Grundlage mit unserer Studie“, sagt Marcus Ebeling.

Originalpublikation

Ebling, M., Meyer, A.C., Modig, K.: Variation in end-of-life trajectories in persons above age 70y, Sweden 2018 – 2020. American Journal of Public Health (2023). DOI: 10.2105/AJPH.2023.307281

Autor*innen und Institutionen

Marcus Ebeling, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Karolinska Institut, Stockholm

Anna C. Meyer, Karolinska Institut, Stockholm

Karin Modig, Karolinska Institut, Stockholm

Diese Studie wurde vom schwedischen Forschungsrat für Gesundheit, Arbeitsleben und Wohlfahrt (FORTE) unterstützt.

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