20. Dezember 2016 | Pressemitteilung

Weniger Kinder pro Mann als pro Frau

Erstmals liegen für Männer in Deutschland Geburtenraten vor. Männer bekommen durchschnittlich weniger und später Kinder als Frauen. Im Osten sind die Unterschiede besonders stark. Dort stellten die Männer einen weltweiten Minimal-Rekord auf.

Weil Daten fehlen, weiß die Wissenschaft wenig über das Thema Männerverhalten beim Kinderkriegen. © wronge57 / photocase.com

Rostock. Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock legen erstmals Geburtenraten für Männer in Deutschland vor. Demnach lag die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Mann seit 1991 in jedem Jahr unter der Zahl der Kinder pro Frau. Im Jahr 2013 (jüngste verfügbare Daten) betrug die Rate der Männer 1,35 und die der Frauen 1,42. Im Osten war der Abstand der Männer- zur Frauen-Rate in etwa doppelt so groß wie im Westen.

Wie sich erst jetzt herausstellt, erreichte die Geburtenrate der Männer 1994 im Osten einen weltweiten Minimal-Rekord mit nur 0,74 Kindern pro Mann. Bisher galt die Rate der ostdeutschen Frauen aus dem Jahr 1994 als weltweit niedrigster Wert.

Männer und Geburten – bisher ein blinder Fleck der Forschung

Geburtenraten für Männer gab es in Deutschland bisher nicht. Sie ließen sich nicht berechnen, da die dafür nötigen Angaben zum Alter der Väter in der amtlichen Statistik unvollständig sind. Während Frauen ihr Alter bei Geburt eines Kindes immer mitteilen müssen, ist die Angabe für Männer nur bei ehelichen Geburten Pflicht. Bei nichtehelichen Geburten ist sie dagegen freiwillig. Die MPIDR-Demografen Christian Dudel und Sebastian Klüsener haben nun die fehlenden Altersangaben der Männer über statistische Verfahren ermittelt. Die Forscher veröffentlichten ihre Berechnungen jetzt im Journal „Demographic Research“.

Viele Fragen rund um Elternschaft und Familie würden hauptsächlich mit Blick auf die Frauen diskutiert, sagt MPIDR-Forscher Christian Dudel. Das liege auch daran, dass es zum Verhalten der Männer bisher kaum Daten gebe. „Die Erforschung des Männerverhaltens beim Thema Kinderkriegen war bisher quasi ein blinder Fleck.“ Mit der Berechnungsmethode des MPIDR würde es nun leichter, das Thema endlich auch aus männlicher Perspektive zu erforschen.
 

Die Männer bleiben zurück: Die Zahl der Kinder pro Mann lag in Deutschland seit 1991 kontinuierlich um 5 bis 10 Prozent unter der der Frauen. Im Osten ist der Abstand besonders groß. Während die Geburtenraten der Frauen im Osten die der Frauen im Westen inzwischen überholt hat, bleibt die Ost-Rate der Männer weiter hinter der im Westen zurück. Daten: Statistisches Bundesamt /MPIDR-Berechnungen © MPIDR

Männerüberschuss im Osten drückt Geburtenraten

Ein wesentlicher Grund, dass die Kinderzahl pro Mann hinter der pro Frau zurückbleibt, ist, dass es einen Männerüberschuss im sogenannten „reproduktiven Alter“ gibt, in dem Frauen oder Männer gewöhnlich Kinder bekommen. Die Geburtenrate ist die Zahl der geborenen Babys geteilt durch alle Männer oder Frauen im reproduktiven Alter – inklusive derer, die kinderlos bleiben. Die gleiche Zahl an Kindern wird also auf mehr Männer als Frauen aufgeteilt – und entsprechend ist die Rate für die Männer kleiner.

Besonders deutlich wirkt sich der Männerüberschuss im Osten aus. Dort hinken die Kinderzahlen pro Mann denen der Frauen um bis zu über zehn Prozent hinterher (Werte für 2013: Frauen 1,46; Männer 1,31). Im Westen beträgt der Abstand um die vier Prozent (Werte für 2013: Frauen 1,41; Männer 1,36). Während das Verhältnis im Westen dem in vielen anderen entwickelten Ländern entspreche, seien die Unterschiede in den neuen Bundesländern außergewöhnlich, sagt Christian Dudel. „Die vergleichsweise niedrige Fertilität ostdeutscher Männer war bisher weitgehend unbekannt.“

Ursache des hohen Männerüberschusses im Osten ist vor allem die Abwanderung junger Menschen in die alten Bundesländer in den Neunziger- und Nullerjahren. Damals verließen mehr Frauen als Männer die neuen Bundesländer.

Dadurch blieb die Geburtenrate der Männer im Osten in der zweiten Hälfte der 1990er sogar um 15 Prozent hinter der der Frauen zurück. Inzwischen wird die Lücke zwar jedes Jahr kleiner. Während die Geburtenrate der Ost-Frauen die im Westen aber inzwischen überholt hat, bleibt die der Ost-Männer weiterhin unter der der West-Männer.

Die niedrigeren Werte der Männer könnten langfristig zum Problem werden. Denn kleinere Fertilitätsraten bedeuten weniger Nachwuchs, der später potenziell die Männer pflegen könnte.  Sofern der Staat einspringt, kann er weniger Kinder zur Übernahme der Pflegekosten heranziehen.

Auch für Männer tickt die Uhr

Gemeinsam ist Ost und West, dass Männer im Durchschnitt bei Geburt der Kinder drei Jahre älter sind als die Mütter. So alt wie einst Charlie Chaplin, der in seinen späten Siebzigern sein elftes Kind bekam, ist dabei kaum ein Mann. Im Gegenteil, auch für Männer „tickt die Uhr“, wie die Berechnungen der Altersangaben zeigen: Nur sechs Prozent werden noch mit über 45 Jahren Vater (Frauen: 0,2 Prozent).

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Daten:
Geburtenraten von Männern und Frauen in Deutschland von 1991 bis 2013 (XLSX-Datei, 44 kB)

Original-Publikation

Dudel, C. and S. Klüsener: Estimating male fertility in eastern and western Germany since 1991: A new lowest low? Demographic Research [Zuerst online veröffentlicht: 20. Dezember 2016]. DOI:10.4054/DemRes.2016.35.53

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