02. November 2016 | News | RAPHIS

Neue Datenbank mit individualstatistischen Daten aus dem 19. Jahrhundert

Seit Kurzem ist die Datenbank RAPHIS (Rostock Archive of Historical Vital Statistics Micro Data) online. Sie enthält Individual-Daten aus Volkszählungen, Kirchenregistern und Sterberegistern in Rostock von 1800 bis 1905.

Margarethe Emma Ida Ottilie Schmidt hat am 19. Mai 1904 in der Sankt Marien-Kirche in Rostock dem Kriminalkommissar Karl Hermann Conrad Gustav Fritsch das Ja-Wort gegeben hat. So steht es in dem Kirchenbuch der Gemeinde. Bei der Volkszählung vier Jahre zuvor war vermutlich eben dieser Kriminalkommissar noch Polizeianwärter. Außerdem erfährt man aus den Zensus-Daten, dass er nicht gebürtiger Rostocker ist, sondern in Oels-Breslau in Schlesien zur Welt kam. Ob der Konrad, der im Zensus erfasst wurde, tatsächlich derjenige ist, der am 19. Mai 1904 heiratete, ist nicht ganz sicher, da beim Zensus nur der Rufname aufgezeichnet wurde und dort steht Konrad mit “K” und nicht mit “C” wie im Kirchenbuch.

„Es ist normal, dass diese Datensätze Fehler enthalten,“ sagt MPIDR-Forscher Rembrandt Scholz, der die Datenbank gemeinsam mit Kollegen der Universität Rostock und  der ehemaligen MPIDR-Arbeitsgruppe Historische Demografie ins Leben gerufen hat. Fehler gebe es in den handschriftlichen Original-Daten. Aber auch bei der Digitalisierung, bei der studentische Hilfskräfte in tausenden Arbeitsstunden die Daten in die Datenbank übertrugen, seien Fehler nicht auszuschliessen. Nichtsdestotrotz sei die Datenbank ein kleiner Datenschatz: „In dieser Form und Vollständigkeit findet man solche Daten meist nur für kleinere Orte, Rostock ist da eine Ausnahme,“ sagt der Forscher.

Auszug aus dem Kirchenbuch der Hauptkirche Sankt Jakobi in Rostock aus dem Jahr 1878.

Rund 230.000 einzelne Datensätze enthält die Datenbank mit dem Namen RAPHIS (Rostock Archive of Historical Vital Statistics Micro Data), die nach Registrierung unentgeltlich und frei verfügbar sind. Es sind die Daten aus den Kirchenregistern der vier Rostocker Kirchen, die es damals gab, und die Daten aus den drei Volkszählungen von 1819, 1867 und 1990. Die Daten aus den Kirchenbüchern liefern Auskunft über Namen, Geburt, Taufe, Konfirmation und den Tod der Gemeindemitglieder. Bei den Volkszählungen wurden Namen, Alter, Geschlecht, der Haushalt, der Beruf des Haushaltsvorstandes erfasst.

„Das wichtige dabei ist, dass wir Daten zur Verfügung haben, die nicht nur eine Dimension haben,“ erklärt Rembrandt Scholz. An diesen mehrdimensionalen individuellen Daten könne man zum Beispiel sehr gut  historische Ereignisse rekonstruieren, wie zum Beispiel die Aufhebung der Zunftordnung. Vorher konnten Gesellen nur in dem Betrieb ihres Meisters arbeiten und erst, wenn sie selber Meister wurden, durften sie heiraten. Mit der Aufhebung der Zunftordnung kann man sehen, dass sich die ersten Betriebe herausbildeten.

Aber auch demografische Veränderungen, wie der Anstieg der Lebenserwartung, die hohe Zuwanderung und die niedrige Geburtenrate, seien an den Daten ablesbar. Abgesehen von den historischen Erkenntnissen, die man mithilfe der Datenbank gewinnen kann, nützt sie uns aber auch, um heutige Entwicklungen besser zu verstehen. „Demografische Prozesse gehen nur langsam vonstatten. Deswegen müssen wir in die Vergangenheit schauen, um aktuelle demografische Entwicklungen zu verstehen und richtig zu bewerten“ sagt der Wissenschaftler.

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