17. Juli 2018 | News | Neue Veröffentlichung

Verweildauer im Krankenhaus: Wie ändert das Alter den Einfluss von Einkommen und Bildung?

Pluriversum / photocase.com

Wer gut gebildet ist und ein hohes Einkommen hat, verbringt weniger Zeit im Krankenhaus. Dieser Zusammenhang ist bekannt. Ob diese Unterschiede jedoch mit dem Alter zu- oder abnehmen, ist umstritten. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung zeigt nun, dass beides der Fall sein könnte.

(Der folgende Text basiert auf der wissenschaftlichen Veröffentlichung Changes in Socioeconomic Differences in Hospital Days With Age: Cumulative Disadvantage, Age-as-Leveler, or Both? der MPIDR-Forscher*innnen Yaoyue Hu und Mikko Myrskylä wurde auf Deutsch bereits mit kleinen Änderungen in der Ausgabe 2/2018 des Quarterlys "Demografische Forschung Aus Erster Hand" veröffentlicht.)

Die Rostocker Demograf*innen Yaoyue Hu und Mikko Myrskylä konnten am Beispiel Finnlands darlegen, dass die Zu- oder Abnahme der Unterschiede von der genauen Altersgruppe abhängt. Und davon, ob relative oder absolute Differenzen gemessen werden. Gemeinsam mit Taina Leinone und Pekka Martikainen von der Universität Helsinki haben sie Angaben über 137.000 Finninnen und Finnen ausgewertet, die zum Beginn der Studie im Jahr 1987 zwischen 50 und 79 Jahre alt waren.

Die umfangreichen Daten erlaubten es den Forschern, die im Krankenhaus verbrachten Tage der Personen über 20 Jahre lang von 1988 bis 2007 zu erfassen und auszuwerten. Um auch mögliche unterschiedliche Entwicklungen in verschiedenen Altersgruppen sichtbar zu machen, wurden die Daten für die jüngste (50 bis 59 Jahre), die mittlere (60 bis 69 Jahre) und die älteste (70 bis 79 Jahre) Gruppe getrennt ausgewertet.

Erwartungsgemäß zeigte sich anhand der Daten, dass die Krankenhaustage mit dem Alter stark ansteigen (vgl. Abb. 1 und 2). Dabei verbrachten aber Menschen mit einem hohen sozioökonimischen Status zu jeder Zeit und in jeder Altersgruppe weniger Tage im Krankenhaus als Menschen mit geringerem Status.

Abb. 1: Während sich in den beiden jüngeren Altersgruppen die absoluten Unterschiede zwischen den beiden Bildungsgruppen vergrößern, nehmen sie in der ältesten Gruppe der 70- bis 79-Jährigen ab. © Quelle: Finnish Register Data 1988-2007, eigene Berechnungen

Diesen Status bewerteten die Forscher anhand dreier unterschiedlicher Kategorien: Zum einen anhand der Bildung, die als „hoch“ bewertet wurde, sobald mindestens eine so genannte postsekundäre Ausbildung abgeschlossen wurde, die in etwa mit dem Abitur vergleichbar ist.

Das Haushaltseinkommen werteten die Forscher nach Altersgruppen und Geschlecht getrennt aus und teilten es in ein unteres, mittleres und oberes Drittel ein. Darüber hinaus ordneten sie die Menschen je nach Beschäftigung in die Klasse der ungelernten Arbeiter, der Arbeiter mit Ausbildung, der Angestellten und in eine vierte Klasse ein, die alle übrigen wie etwa Landwirte, Selbstständige oder Studenten beinhaltet.

Zu Beginn der Untersuchung im Jahr 1987 lag die Anzahl der Krankenhaustage der sozial und ökonomisch besser gestellten Menschen bereits 10 bis 60 Prozent unterhalb der Anzahl, die Menschen mit eher geringem Sozialstatus und geringem Einkommen in einer Klinik verbrachten (vgl. Abb. 1 und 2).

Doch wie würden sich diese Unterschiede in den folgenden 20 Jahren, also bis zum Jahr 2007, entwickeln? Würden sie weiter zunehmen, weil sich die negativen Auswirkungen eines niedrigen Sozialstatus‘ über das Leben aufsummieren? Oder würden sie abnehmen, weil sich die Unterschiede im Gesundheitsverhalten und bei psychosozialen Faktoren in höherem Alter wieder angleichen?

Abb. 2: Auch bei den unterschiedlichen Einkommensklassen, zeigt sich in den beiden jüngeren Gruppen eine Zunahme der absoluten Unterschiede, während sich bei der ältesten Gruppe der 70- bis 79-Jährigen die Unterschiede bei den Krankheitstagen angleichen. © Quelle: Finnish Register data 1988-2007, eigene Berechnungen.

Yaoyue Hu und ihre Kolleg*innen finden für beide Theorien Anhaltspunkte: Die relativen Unterschiede zwischen den meisten Status- und Jahrgangsgruppen blieben mit zunehmendem Alter weitgehend unverändert. Zwischen der untersten und der höchsten Einkommensgruppe bei den Männern im Alter von 50 bis 69 sowie der untersten und mittleren Gruppe bei den Frauen im Alter von 50 bis 59 gingen sie jedoch zurück. Auch zwischen unterschiedlichen Beschäftigungsgruppen der ältesten Frauengruppe zeigte sich eine Annäherung.

Ein anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn nicht die relativen, sondern die absoluten Unterschiede betrachtet werden. Von den 60- bis 69-jährigen Frauen etwa waren die höher Gebildeten im Jahr 1988 rund 3, die weniger Gebildeten rund 4 Tage im Krankenhaus. Der absolute Unterschied betrug also einen Tag, der relative rund 25 Prozent. Im Jahr 2007 verbrachten die Frauen mit niedrigerem Bildungsabschluss bereits mehr als 20 Tage im Krankenhaus, während es bei den besser gebildeten Frauen im Schnitt lediglich 17 Tage waren. Die absolute Differenz war also auf drei Tage angewachsen, relativ betrachtet waren die Krankenhauszeiten der besser Gebildeten aber nur 15 Prozent kürzer.

Während sich der absolute Unterschied also etwa verdreifacht hat, ging die relative Differenz deutlich zurück. Ähnliche Entwicklungen zeigten sich bei Männern und Frauen in den beiden unteren Altersgruppen der 50- bis 59-Jährigen und der 60- bis 69-Jährigen: Die absoluten Unterschiede zwischen den hohen und niedrigen Einkommensgruppen, der hohen und niedrigen Bildungsgruppe sowie den Beschäftigungsgruppen stiegen überall an. Lediglich bei den 70- bis 79-Jährigen zeigte sich eine gegenteilige Entwicklung: nicht nur die relativen, sondern auch die absoluten Unterschiede gingen hier mit zunehmendem Alter zurück.

Mitautorin der wissenschaftlichen Studie:
Yaoyue  Hu

Mehr Informationen

Originalartikel: Changes in Socioeconomic Differences in Hospital Days With Age: Cumulative Disadvantage, Age-as-Leveler, or Both? Yaoyue Hu, PhD Taina Leinonen, PhD Mikko Myrskylä, PhD Pekka Martikainen, PhD , The Journals of Gerontology: Series B, gbx161, https://doi.org/10.1093/geronb/gbx161

 

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