04. Juni 2020 | Pressemitteilung

Wie viele Menschen haben tatsächlich Covid-19?

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Die tatsächliche Zahl Covid-19-Infizierter in verschiedenen Ländern möglichst genau mit nur wenigen Daten abzuschätzen, das ermöglicht das demografische Skalierungsmodell, das Forscher*innen am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock und der Universität Helsinki entwickelt haben. Danach ist die Fallzahl in Deutschland nur 1,8 Mal höher als die bestätigte Zahl Infizierter. Für Italien hingegen schätzen die Forscher*innen, dass sechs Mal so viele Menschen infiziert sind, wie gemeldet.

„Für die zehn am meisten von der Covid-19-Pandemie betroffenen Länder schätzen wir mit unserem demografischen Skalierungsmodell ab, wie hoch die Dunkelziffer infizierter Personen ist“, sagt Mikko Myrskylä, Direktor am Max-Planck-Institut für demografische Forschung. So gebe es dort nach Stand der Zahlen vom 13. Mai 2020 durchschnittlich vier Mal so viele Infizierte, wie bestätigte Fälle.

Für Italien geht das Modell von etwa 1,4 Millionen infizierter Menschen aus. Das sind sechs Mal so viele, wie von den Behörden offiziell gemeldet. In den USA gehen die Forscher*innen mit 3,1 Millionen Erkrankten von mehr als doppelt so vielen Infizierten aus. In Deutschland dagegen, wo sehr viele Menschen auf Covid-19 getestet werden, schätzt das Modell die Dunkelziffer nur 1,8 Mal so hoch ab.

In allen zehn Ländern mit den meisten Covid-19-Toten (Stand 13.Mai) ist der Zahl der Infizierten sehr wahrscheinlich höher, als die Zahl der offiziell bestätigten Fälle. Ist der Abstand zwischen dem roten Balken (bestätigte Fälle) und dem dunkelgrauen Balken (wahrscheinliche Schätzung) groß, liegt die Zahl bestätigter Fälle weit entfernt von der wahrscheinlichen Zahl der Infizierten. © MPIDR

„Allerdings ist die Unsicherheit für unsere Modellschätzungen groß“, ergänzt die Mitautorin der Studie, Christina Bohk-Ewald, die derzeit an der Universität Helsinki arbeitet. Denn die Dunkelziffern lägen demnach im Bereich zwischen doppelt und elf Mal so hoch. Auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern seien groß. Ihr Modell stellt das Forscher*innenteam in einer  Studie vor, die als Pre-Print-Version ohne Peer-Review auf medRxiv online abrufbar ist.

Für ihre Modellrechnung verwenden die Forscher*innen hauptsächlich Angaben zu den Covid-19-Todesfällen und zur Infektionssterblichkeit. Da aber die COVID-19 Infektionssterblichkeit für die meisten Länder noch nicht bekannt ist, übertragen sie die Forscher*innen mit Hilfe der sogenannten Restlebenserwartung von einem Referenzland auf andere Länder. Diese demografische Größe erlaubt es, Unterschiede in der Altersstruktur, den Vorerkrankungen in der Bevölkerung und im Gesundheitssystem der Länder zu berücksichtigen.

Das demografische Modell beruht somit vor allem auf zwei Annahmen: Zum einen geht es davon aus, dass die Zahl der Menschen, die an Covid-19 verstorben sind, überall recht genau erfasst wird. Zum anderen legen die Forscher*innen zu Grunde, dass die Infektionssterblichkeit aus einer Referenzregion (hier aus Hubei, China), nach mathematisch-demografischer Anpassung, auch auf andere Länder übertragbar ist. Den drei Wissenschaftler*innen ist bewusst, dass diese beiden Annahmen nur Annäherungen sind und nicht überall exakt so zutreffen.

Die Forscher*innen sind überzeugt, ein breit einsetzbares Modell entwickelt zu haben, das mit leicht verfügbaren Daten nützliche Schätzungen der tatsächlichen Zahl Covid-19-Infizierter liefert. „Unser Modell eignet sich auch dazu, die geschätzten Infektionszahlen anderer Ansätze und Studien, die zum Beispiel die Verbreitung von Antikörpern in der Bevölkerung messen, vorläufig auf Plausibilität zu prüfen“, sagt Christian Dudel. Demnach seien die nur regional durchgeführten Antikörpertests und die daraus gewonnen Daten häufig nicht repräsentativ für die ganze Bevölkerung eines Landes.

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So viele Menschen haben wirklich Covid-19 (PNG-Datei, 585 kB)

Vorläufige Veröffentlichung (Pre-Print ohne Peer Review)

Bohk-Ewald, C., Dudel, C., Myrskylä, M.: A demographic scaling model for estimating the total number of COVID-19 infections https://doi.org/10.1101/2020.04.23.20077719

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