24. Juni 2022 | Pressemitteilung

COVID-19: Die Hinterbliebenen der Pandemie

Die Covid-Gedenkwand in London. © iStockphoto.com/georgeclerk

Die Pandemie forderte weltweit bereits Millionen Menschenleben. Die Zahl der Hinterbliebenen ist sogar noch höher. Junge Menschen verloren häufiger ihre Großeltern, ältere Menschen trauern eher um ihre Geschwister. Das sind die Ergebnisse einer simulationsbasierten Studie, die ein internationales Team mit Forschenden des MPIDR und einer Gaststudentin der University of California, Berkeley, in PNAS veröffentlichte.

Während der Pandemie sind viel mehr Menschen gestorben, als es ohne COVID-19 der Fall gewesen wäre. Diese Übersterblichkeit führte auch dazu, dass noch mehr Menschen zu trauernden Hinterbliebenen wurden.

Ein internationales Team mit Mallika Snyder (Doktorandin an der UC Berkeley), Iván Williams (Universität Buenos Aires), Diego Alburez-Gutierrez (Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock) und Emilio Zagheni (Direktor am MPIDR) hat das Ausmaß dieser pandemiebedingten überhohen Zahl an familiären Verlusten quantifiziert. Die Forschenden analysierten, welche demografischen Gruppen am ehesten betroffen sind, und stellten fest, dass in allen 31 untersuchten Ländern im Zeitraum zwischen März 2020 und Juni 2021 die Zahl der jüngeren Menschen, die ein Großelternteil verloren haben, und der älteren Menschen, die um Geschwister trauern, anstieg.

Zahl der Menschen, die Angehörige verloren haben, verdoppelte sich in einigen Ländern

Die Zahl der jüngeren Menschen, die um ein Großelternteil trauern, hat sich in einigen Fällen mehr als verdoppelt: Im Vereinigten Königreich lag der ohne Pandemie erwartete familiäre Verlust für Personen im Alter zwischen 30 und 44 im April 2020 bei 703 pro 100.000 Personen. Er stieg jedoch um bis zu 845 von 100.000 an, so dass 1548 von 100.000 Personen im Alter von 30 bis 44 Jahren einen Angehörigen verloren haben.

Auch die Zahl der älteren Menschen, die um Bruder oder Schwester trauern, hat sich in einigen Fällen mehr als verdoppelt. Sie stieg etwa in Polen von erwarteten 443 Hinterbliebenen je 100.000 Personen im November 2020 um 511 je 100.000. Es haben demnach 954 von 100.000 Personen ab 65 Jahren einen Angehörigen verloren.

„Unsere Ergebnisse tragen dazu bei, die Auswirkungen von Übersterblichkeit und Verlust von Angehörigen während der Pandemie zu verdeutlichen und zeigen auf, welche Gruppen am ehesten betroffen sind,“ sagt Mallika Snyder. Die 31 untersuchten Länder hätten ohne COVID-19 ähnliche bevölkerungsbereinigte Vorausberechnungen für familiäre Verluste gehabt, wegen unterschiedlich großer Übersterblichkeit wichen die tatsächlichen Werte aber erheblich voneinander ab.

Schweden und Norwegen liefern ein eindrucksvolles Beispiel dafür. Während beide Länder in ihren Alters- und Verwandtschaftsstrukturen ähnlich sind – das spiegelt sich auch in ähnlichen Raten der vorausberechneten familiären Verluste wieder – war jedoch die Übersterblichkeit in Schweden während der Pandemie viel höher. Deshalb ist der Verlust von Angehörigen in Schweden während des gesamten untersuchten Zeitraums höher als in Norwegen.

Demografische Mikrosimulationen mit Sterblichkeitsdaten kombiniert

„Mit dieser Studie unterstreichen wir die Tatsache, dass jeder einzelne Todesfall im Zusammenhang mit COVID-19 von mehreren Hinterbliebenen als Verlust erlebt wurde. Das Ausmaß der COVID-bedingten familiären Verluste ist wesentlich größer als die Zahl der Todesfälle durch COVID-19 allein,“ sagt Diego Alburez-Gutierrez.

Um die Zahl der Hinterbliebenen der Pandemie abzuschätzen, erweiterten die Forschenden eine Reihe bestehender demografischer Mikrosimulationen der SOCSIM-Plattform mit Daten aus den World Population Prospects der Vereinten Nationen und der Short-term Mortality Fluctuations Data Series der Human Mortality Database.

Projekt begann während eines Forschungsaufenthalts am MPIDR

„Diese Studie wurde erst durch Fortschritte in der demografischen Grundlagenforschung möglich, die institutionsübergreifend und über Jahrzehnte hinweg erzielt wurden. Dazu gehören rechenintensive Simulatoren und qualitativ hochwertige demografische Daten,“ sagt Emilio Zagheni.

Der Grundstein für dieses Projekt wurde während eines digitalen Forschungsaufenthalts von Mallika Snyder am MPIDR im Sommer 2020 gelegt. „Das Projekt hat von Anfang an enorm von der starken Forschungsgemeinschaft am MPIDR profitiert. Mir scheint es deshalb sehr passend, dass wir die Studie während meines zweiten Forschungsaufenthalts vor Ort in Rostock im Frühling 2022 fertiggestellt haben,“ sagt Mallika Snyder. Sie fügt hinzu: „Am meisten unterstützt hat mich die Möglichkeit persönlich und direkt von meinen Koautoren zu lernen. Das MPIDR ist auch ein wunderbarer Ort, um an einem Paper zu arbeiten; es gibt so viele inspirierende Forschungsprojekte, über die ich in Seminaren und Gesprächen mehr erfahren habe.“

Originalpublikation

Snyder, M., Alburez-Gutierrez, D., Williams, I., Zagheni, E.: Estimates from 31 countries show the significant impact of COVID-19 excess mortality on the incidence of family bereavement. PNAS (2022). DOI: 10.1073/pnas.220268611

Autor*innen und Institutionen

Mallika Snyder, University of California, Berkeley

Diego Alburez-Gutierrez, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Iván Williams, Universität Buenos Aires

Emilio Zagheni, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Kontakt

Leiterin des Arbeitsbereichs Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen

Silvia Leek

E-Mail

+49 381 2081-143

Redakteurin Wissenschaftskommunikation

Silke Schulz

E-Mail

+49 381 2081-153

MPIDR-Autor*innen der Studie

Leiter einer Forschungsgruppe

Diego Alburez-Gutierrez

E-Mail

+49 381 2081-175

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.