03. Februar 2022 | Pressemitteilung
Finnland: Im Gefängnis ist die Sterblichkeit niedrig, nach der Entlassung hoch
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Ein Forscherteam mit Riku Laine von der Universität Helsinki und MPIDR-Direktor Mikko Myrskylä analysierte die Sterblichkeit von Personen, die wegen Drogen- und Alkoholkonsums in Behandlung waren, während und nach einer Haftstrafe mit Hilfe von finnischen Registerdaten in einer Follow-up-Studie über einen Zeitraum von 28 Jahren.
In den ersten beiden Wochen nach der Entlassung aus dem Gefängnis ist die Sterblichkeit von Ex-Häftlingen in Finnland besonders hoch. Das gilt vor allem für Personen mit einer Suchterkrankung. Dabei ist Heroin, das mit hoher Sterblichkeit verbunden ist, in Finnland nicht sehr weit verbreitet.
In den dann folgenden Wochen und Monaten sinkt die Sterblichkeit, bleibt aber erhöht, im Vergleich zu einer Referenzgruppe mit Personen, die weder inhaftiert waren noch an einem Resozialisierungs-Programm teilnahmen. Dabei sind die Muster der sinkenden Sterblichkeit ähnlich, auch wenn sich Bildungsniveau, Art der Suchterkrankung und Art der letzten Strafmaßnahme unterscheiden.
Sterblichkeit für Teilnehmende eines Resozialisierungs-Programms nicht verringert
„Die Kommunikation zwischen den Behörden, die nach der Entlassung für Häftlinge mit einem Drogenproblem zuständig sind, sollte verbessert werden. So ließe sich die hohe Sterblichkeit nach der Entlassung vermutlich senken“, sagt Riku Laine, Doktorand an der Universität Helsinki und Hauptautor der Studie.
Während ihrer Zeit im Gefängnis ist die Sterblichkeit für Häftlinge dagegen vergleichsweise niedrig. Die Sterblichkeit für Teilnehmende eines Resozialisierungs-Programms war dagegen nicht verringert, unabhängig von den Überwachungs- und Unterstützungsmaßnahmen.
Strafverfolgung und Alkohol- und Drogenkonsum in Finnland
Allgemein ist in Finnland die Sterblichkeit auf Grund von Alkoholmissbrauch hoch. Drogenkonsum konzentrierte sich in den 1990er Jahren auf Amphetamine, hat sich nun aber zu einem größeren Phänomen ausgeweitet, das zusätzlich auch Opioide einschließt. Buprenorphin ist das häufigste Opioid; Sterbefälle wegen Überdosierungen sind aber eher selten.
Die Prävalenz von Suchterkrankungen bei finnischen Strafgefangenen ist fast zehnmal so hoch wie in der Durchschnittsbevölkerung.
Die Strafverfolgungsbehörde in Finnland möchte Straftäter*innen auf ein Leben ohne Straftaten vorbereiten und ihre Lebensführung verbessern. Die verhängten Strafen sind deshalb kurz: 42 Prozent der Haftstrafen sind kürzer als drei Monate, die durchschnittliche Dauer beträgt etwas mehr als 11 Monate. Das Resozialisierungsprogramm umfasst unbezahlte Arbeit unter Aufsicht für jeweils drei bis vier Stunden in der Regel zweimal pro Woche.
Registerdaten von knapp 11.000 Personen
Die Forschenden nutzten Daten der Datenreihe Register-based follow-up study on criminality, health and taxation of inpatients and outpatients entered into substance abuse treatment (RIPE) und des finnischen Strafregisters von knapp 11.000 Personen im Zeitraum zwischen 1992 und 2015. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Drug and Alcohol Dependence veröffentlicht.
„Dem Strafvollzug in Finnland ist es gelungen, die Sterblichkeitsrate von Strafgefangenen mit Suchterkrankung relativ niedrig zu halten“, sagt Mikko Myrskylä, Direktor am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock und Mit-Autor der Studie. Er ergänzt: „Allerdings ist das Sterberiskio nach der Entlassung sehr hoch, das zeugt vom Versagen des Systems. Überwachungs- und Unterstützungsmaßnahmen sind nicht angemessen.“
Originalpublikation
Laine, R., Myrskylä, M, Kaskela, T., Pitkänen, T.: Imprisonment, community sanctions and mortality by cause of death among patients with substance use disorder – a 28-year follow-up using Finnish register data. Drug and Alcohol Dependence (2022) DOI: 10.1016/j.drugalcdep.2022.109327
Autor*innen and Institutionen
Riku Laine, Centre for Social Data Science, Universität Helsinki
Mikko Myrskylä, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Teemu Kaskela, A-Clinic Foundation, Helsinki
Tuuli Pitkänen, A-Clinic Foundation, Helsinki