13. Juni 2022 | Pressemitteilung

Migration von deutschen Forschenden: Männer kommen eher nach Deutschland zurück

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Im vergangenen Sommer veröffentlichten MPIDR-Forscherin Xinyi Zhao und Kollegen eine Studie, die Zu- und Abwanderung von Wissenschaftler*innen nach und aus Deutschland mit Hilfe bibliometrischer Angaben aus über acht Millionen wissenschaftlicher Veröffentlichungen in der Online-Publikationsdatenbank Scopus analysierteIhre Folgestudie erschien nun in der Fachzeitschrift Scientometrics und zeigt, dass Forscher, die Deutschland verlassen haben, eher wieder nach Deutschland zurückkehren als Forscherinnen derselben akademischen Kohorten und Disziplinen.

Das Team unter der Leitung von Xinyi Zhao vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock analysierte die Migrationsraten von Forschenden, die nach einem Auslandsaufenthalt nach Deutschland zurückgekehrt sind. Dafür vernetzte das Team Standortdaten, die aus den Angaben über die Affiliationen der migrierenden Forscher*innen in ihren Publikationen aus der Datenbank Scopus gezogen wurden.

Das Team untersuchte, ob diese migrierenden Forscher*innen - Forschende, die zunächst in Deutschland publiziert haben und dann mit einer Affiliation im Ausland veröffentlichen – im Ausland bleiben oder doch nach Deutschland zurückkehren. Ihre Studie konzentriert sich darauf, wie sich diese Muster nach Geschlecht, Länge der wissenschaftlichen Karriere, Forschungsrichtung, Zielland und akademischen Kooperationen aus dem Ausland nach Deutschland unterscheiden.

Forscherinnen, die Deutschland verlassen, kehren seltener zurück als ihre männlichen Kollegen

„In diesem Zusammenhang haben wir festgestellt, dass das ungleiche Geschlechterverhältnis im deutschen Wissenschaftssystem durch die Migrationstendenzen bei Forschern und Forscherinnen noch verschärft wird“, sagt Xinyi Zhao. Denn in fast allen Disziplinen waren in den Teilgruppen, die nach Deutschland zurückkehrten, mehr Männer als in den Teilgruppen, die Deutschland verließen.

So kamen beispielsweise von den Forschenden, die zwischen 1998 und 2001 zu publizieren begannen und Deutschland als Nachwuchswissenschaftler*innen verließen, 28 Prozent der Männer innerhalb von fünf Jahren nach Deutschland zurück. Von den Frauen waren es dagegen nur 22 Prozent.  In der Analyse aus dem vergangenen Sommer fand das Team um Xinyi Zhao eine ausgewogeneres Geschlechterverhältnis bei Forschenden mit Migrationshintergrund in Disziplinen, die in Deutschland ein starkes Ungleichgewicht der Geschlechter aufweisen, wie etwa Ingenieurwissenschaften, Physik und Informatik. Die aktuelle Studie, die sich auf die Rückkehr der Forschenden nach Deutschland konzentriert, zeigt allerdings, dass sich das ungleiche Geschlechterverhältnis im Laufe der Zeit durch die Migrationsmuster insgesamt eher verstärkt.

Zusammenarbeit mit Deutschland im Ausland spielt für Rückkehrer*innen eine Rolle

Das Team untersuchte neben dem Geschlechterverhältnis auch andere Aspekte. Über alle Disziplinen hinweg zeigt sich, dass eine fortdauernde Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen in Deutschland vom Ausland aus, eine insgesamt positive Rolle bei der Rückkehr von Forschenden nach Deutschland spielt.

Das Team fand auch heraus, dass Forschende, die von Deutschland in Länder mit vergleichsweise hohen Forschungs- und Entwicklungsausgaben (wie die Schweiz, Schweden, Österreich und Australien) umgezogen sind, weniger wahrscheinlich nach Deutschland zurückkehren.

Rückkehrer*innen haben eine längere akademische Laufbahn

„Für mich ist die aktuelle Studie die Fortsetzung unserer Veröffentlichung aus dem vergangenen Jahr“, sagt Xinyi Zhao. Damals hat das Team festgestellt, dass migrierenden Forscher*innen einen wesentlichen Beitrag zum deutschen Wissenschaftssystem leisten, gemessen an der Zahl der Zitationen im Vergleich zur Karrierelänge. Die Ergebnisse der aktuellen Studie deuten darauf hin, dass die Rückkehrer*innen ihre akademische Laufbahn erheblich verlängert haben und von ihrer internationalen Forschungserfahrung zu profitieren scheinen.

Die aktuelle sowie die Studie aus dem letzten Jahr basieren auf bibliometrischen Daten aus der Datenbank Scopus über mehr als acht Millionen Publikationen aus 1,1 Millionen Autorenprofilen von Forschenden, die zwischen 1996 und 2020 mindestens einmal mit einer Adresse in Deutschland veröffentlicht haben.

„Wir haben dieses vielschichtige Thema aus mehreren Blickwinkeln beleuchtet. Wir bieten einen detaillierten, auf quantitativen Daten basierenden Anhaltspunkt für politische Entscheidungsträger*innen, der die Zusammenarbeit mit Forschenden erleichtert, die Deutschland verlassen haben und wieder zurückkehren wollen“, sagt Xinyi Zhao.

Hinweis

Die Studie wurde vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.

Originalpublikation

Zhao, X., Aref, S., Zagheni, E., Stecklov, G.: Return migration of German-affiliated researchers: analyzing departure and return by gender, cohort, and discipline using Scopus bibliometric data 1996–2020. Scientometrics (2022). DOI: 10.1007/s11192-022-04351-4

Autor*innen und Institutionen

Xinyi Zhao, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Universität Oxford

Samin Aref, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Universität Toronto

Emilio Zagheni, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Guy Stecklov, Universität von British Columbia

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