02. August 2021 | Pressemitteilung
Nicht nur später, sondern auch seltener: Frauen in Nordeuropa bekommen weniger Kinder

Hochrechnungen zeigen einen Rückgang der Fertilität auf ein Allzeittief von etwa 1,8 Kindern pro Frau für Frauen, die in den späten 1980er Jahren geboren wurden. © photocase.com/silwan
Die Fertilität in den Ländern Nordeuropas ist in den 2010er Jahren gesunken. Frauen bekommen dort jetzt nicht nur später im Leben Nachwuchs, sondern insgesamt auch weniger Kinder. Das rechneten MPIDR-Research Fellow Julia Hellstrand und MPIDR-Direktor Mikko Myrskylä zum ersten Mal hoch, mit aktuellen Daten der Human Fertility Database (HFD) und der nordischen Statistikämter.
In den 2010er Jahren sind in den Ländern Island, Norwegen, Finnland, Dänemark und Schweden weniger Kinder geboren worden. Auch davor ist die Fertilität dort schon gesunken, allerdings haben die Frauen das Kinderkriegen damals nur auf eine spätere Lebensphase aufgeschoben. Das ist jetzt anders. Der aktuelle Rückgang ist die Folge davon, dass Familien kleiner werden. Das heißt, dass Frauen jetzt im Durchschnitt weniger Kinder in ihrem Leben zur Welt bringen als in den vergangenen 30 Jahren.
„Unsere Hochrechnungen deuten auf einen Rückgang der durchschnittlichen Kohorten-Fertilität in den nordischen Ländern hin, von zwei Kindern für Frauen, die in den 1970er-Jahren geboren wurden, auf ein Allzeittief von etwa 1,8 Kindern für Frauen, die in den späten 1980er-Jahren geboren wurden“, sagt Julia Hellstrand, Research Fellow am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock und Doktorandin an der Universität Helsinki. Diese Entwicklung kehrt das in der Vergangenheit stabile Muster der nordischen Kohorten-Fertilität um.
„Für den Fertilitätsrückgang machen wir auch die Tatsache verantwortlich, dass mehr Frauen kinderlos bleiben“, sagt MPIDR-Direktor Mikko Myrskylä. Die Forschenden beobachteten diese Entwicklung für alle Frauen im Alter von fünfzehn Jahren bis Mitte dreißig.
„Unsere Studie war die erste, die die neuesten Trends analysiert hat“
Für ihre Analyse nutzten die Demograf*innen alters- und geburtsordnungsspezifische Fertilitätsraten aus der Human Fertility Database (HFD) sowie Daten nordischer Statistikämter. Ihre Studie ist jetzt in der Fachzeitschrift Demography erschienen. „Unsere Studie war die erste, die die neuesten Trends nach Alters- und Geburtsreihenfolge analysiert hat“, sagt Julia Hellstrand.
Trotz des anhaltenden Trends das Kinderkriegen aufzuschieben, ist die Kohorten-Fertilität in den nordeuropäischen Ländern bisher stabil geblieben, weil Frauen später im Leben mehr Kinder bekamen. Als Gründe dafür gelten eine vergleichsweise vorangeschrittene Geschlechtergleichstellung und Maßnahmen, die berufstätige Mütter und Doppelverdiener-Familien mit kleinen Kindern fördern.
Was zu diesem Fertilitätsrückgang führt, bleibt unklar.
Theorien, die vorhersagen, dass sich niedrige Fertilitätsniveaus erholen, wenn sich die Geschlechtergleichstellung verbessert, gründen sich weitgehend auf diese empirischen Beobachtungen. „Die Fertilität geht jetzt in den nordeuropäischen Ländern stark zurück, trotz eines Umfelds, das gleichzeitiges Berufs- und Familienleben fördert und der vergleichsweise ausgeprägten Geschlechtergleichstellung. Das stellt diese Theorien in Frage“, sagt Julia Hellstrand.
Was zu diesem Fertilitätsrückgang führt, bleibt unklar. Aber es gibt Hinweise in Richtung wirtschaftlicher Faktoren und Unsicherheitserfahrungen. „Vergleichende Studien sollten in Zukunft die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit, dem Wert der Familie beigemessen wird und den Fertilitätsraten untersuchen“, sagt Julia Hellstrand.
Originalpublikation
Hellstrand, J., Nisén, J., Miranda, V., Fallesen, P., Dommermuth, L., Myrskylä, M.: Not just later, but fewer: Novel trends in cohort fertility in the Nordic countries. Demography (2021). DOI: 10.1215/00703370-9373618
Autor*innen und Institutionen
Julia Hellstrand, Universität Helsinki, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Jessica Nisén, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Vitor Miranda, Statistikbehörde Schweden
Peter Fallesen, Universität Stockholm
Lars Dommermuth, Statistikbehörde Norwegen
Mikko Myrskylä, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock