30. Mai 2022 | Pressemitteilung
Sterblichkeit in den USA: Wieso wird die Lücke immer größer?
© iStockphoto.com/PeopleImages
Die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt in den USA seit etwa 2010 nicht mehr. Das ist im Vergleich zu anderen Ländern mit hoher Lebenserwartung ungewöhnlich: die Stagnation setzte in den USA früher ein und ist auch stärker ausgeprägt. So wird die Lücke der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen den USA und den anderen Ländern größer. Nun hat ein Team mit MPIDR-Forschenden herausgefunden, dass das auf eine Stagnation der Sterblichkeit bei einigen Arten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar einem Anstieg bei einigen anderen Formen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen ist. Ihre Studie wurde als Teil einer Sonderausgabe der Journals of Gerontology: Series B veröffentlicht.
Enrique Acosta, Forscher am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock, und Kolleg*innen analysierten die Lücke der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen den USA und anderen Ländern mit hoher Lebenserwartung. Ihre vier wichtigsten Ergebnisse sind:
- Die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den USA ist durchweg höher als die durchschnittliche Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in anderen Ländern mit hoher Lebenserwartung.
- Die Lücke in der Lebenserwartung zwischen den USA und anderen Ländern mit hoher Lebenserwartung hat sich bis etwa 2008 verringert und danach vergrößert.
- Diese veränderte Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Sterblichkeit durch ischämische Herzkrankheiten und Schlaganfälle langsamer zurückging und die Sterblichkeit durch andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen zunahm.
- Von den möglichen, untersuchten Risikofaktoren zeigte nur die Sterblichkeit auf Grund von Fettleibigkeit und Alkoholsucht solche altersspezifischen zeitlichen Veränderungen, die mit denen der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen vergleichbar sind.
„Es ist möglich - neben anderen plausiblen Erklärungen - dass der Rückgang der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Teil auf die gestiegene Prävalenz von Übergewicht und Alkoholsucht zurückzuführen ist“, sagt Enrique Acosta. Er fügt hinzu: „Es ist auch möglich, dass eine systemische Ursache, die sich aus psychologischer und sozioökonomischer Not ergibt und durch die wachsende Ungleichheit in den USA entsteht, ein Auslöser für die Todesfälle aus Verzweiflung (das schließt Drogen- und Alkoholsucht ein), für die Fettleibigkeit und für die Stagnation der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist“.
Die Forschenden analysierten die Unterschiede in der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen zwischen den USA und 17 anderen Ländern mit hoher Lebenserwartung mit Daten aus der WHO-Mortalitätsdatenbank für die Jahre 2000 bis 2016. Sie untersuchten die Sterblichkeit durch verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie ischämischen Herzkrankheiten und Schlaganfällen sowie die Sterblichkeit im Zusammenhang mit potenziellen verhaltensbedingten Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache weltweit, auch in den USA. Geringfügige Veränderungen der Sterblichkeit durch diese Todesursache haben erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung der gesamten Sterblichkeit. Frühere Studien legen sogar nahe, dass der Hauptgrund für die Verschlechterung der Lebenserwartung in den USA in den vergangenen Jahren die Stagnation bei der Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Sie wirkt sich noch viel stärker aus, als die Opioid-Epidemie.
Originalpublikation
Acosta, E., Mehta, N., Myrskylä, M., Ebeling, M.: Cardiovascular mortality gap between the US and other high life expectancy countries in 2000-2016. The Journals of Gerontology: Series B, Volume 77, Issue Supplement_2 (2022). DOI: 10.1093/geronb/gbac032
Autoren und Institutionen
Enrique Acosta, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock
Neil Mehta, The University of Texas Medical Branch, Galveston
Mikko Myrskylä, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Universität Helsinki
Marcus Ebeling, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Karolinska Institutet, Stockholm