23. Mai 2022 | News | Interview

Wie nutzt man bibliometrische Daten für die demografische Forschung?

© MPIDR/Wilhelm

Bibliometrische Daten, Zahlen über wissenschaftliche Veröffentlichungen, können digitale Spuren sein. In diesem Interview erklärt MPIDR-Forscher Aliakbar Akbaritabar, wie es die Umnutzung bibliometrischer Daten ermöglicht, sozialwissenschaftliche und demografische Fragen zu beantworten.

Dr. Akbaritabar, was sind bibliometrische Daten?

Bibliometrische Daten sind Informationen, die aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen gezogen werden. Dazu gehören zum Beispiel die Namen der Autor*innen, die Adressen der akademischen Einrichtungen, Referenzlisten, das Erscheinungsjahr und auch Textdaten wie Titel, Zusammenfassung, Volltext des Manuskripts oder Schlüsselwörter.

Es gibt verschiedene wissenschaftliche Bereiche wie Wissenschaftsforschung oder Wissenschaftssoziologie, die bibliometrische Daten verwenden. Welche Fragen können mit Hilfe solcher Daten untersucht werden?

Fragen sind zum Beispiel: Wie betreiben Wissenschaftler*innen Forschung? Wer arbeitet mit wem zusammen? Wie muss ein Team zusammengesetzt sein, damit es wissenschaftlich erfolgreich ist? In diesen Fällen werden bibliometrische Daten verwendet, um das Verhalten der Wissenschaftler*innen nachzuvollziehen. Die Forschungsfragen können aber auch weiter gefasst sein und Wissenschaft und das Wissenschaftssystem im Allgemeinen zu untersuchen, wie etwa die Frage nach geschlechtsspezifischen Ungleichheiten. Darüber hinaus konzentrieren sich einige Forschungsfragen auf den Inhalt wissenschaftlicher Veröffentlichungen, um diese zusammenzufassen oder systematisch zu überprüfen. Sie wollen herausfinden, wie sich bestimmte Forschungsbereiche entwickeln oder wie bestimmte Themen untersucht werden.

Das klingt nach vielen Möglichkeiten...

Ja, absolut. Ich muss sagen, dass dies nur einige wenige Beispiele dafür sind, wie bibliometrische Daten verwendet werden. Das sind alles große Bereiche mit sehr speziellen Forschungsfragen.

Wie können bibliometrische Daten in der Demografie genutzt werden?

Die Nutzung in der demografischen Forschung lässt sich grob in zwei Gruppen einteilen. Die eine Gruppe betrachtet die Population der Wissenschaftler*innen und nutzt bibliometrische Daten, um den Aufbau und die Entwicklung verschiedener nationaler Wissenschaftssysteme im Laufe der Zeit zu untersuchen. In diesen Anwendungsbereich fällt die oben erwähnte Forschungsfrage zu geschlechtsspezifischen Ungleichheiten. Die zweite Gruppe von Studien nutzt bibliometrische Daten und behandelt sie ähnlich wie digitale Spuren, um zum Beispiel Mobilität und Migration von Wissenschaftler*innen zu analysieren. Diese Studien untersuchen, mit welcher Affiliation Forschende ihre Studien publizieren und nehmen diese als Wohnadressen der Forschenden an. Einfach ausgedrückt bedeutet das, dass eine Änderung dieser Adressen ein Mobilitätsereignis signalisiert. Uns hilft das, Migration von Wissenschaftler*innen weltweit zu untersuchen.

Forschende am MPIDR arbeiten schon seit einiger Zeit mit bibliometrischen Daten, was sind Ihre aktuellen Erkenntnisse?

Bevor ich 2021 ans MPIDR kam, hatten Kolleg*innen bereits interessante Forschungsprojekte im Bereich der Computational Social Science entwickelt. Als Forscher eben dieser Fachrichtung mit einem Hintergrund in Soziologie habe ich mich auf ihre Arbeit gestützt, um das Forschungsgebiet weiter voranzubringen. Ich habe zum Beispiel subnationale Regionen und Migration von Forschenden innerhalb von Ländern im Gegensatz zu Migration weltweit untersucht.

Was kommt für Sie als Nächstes?

Wir freuen uns sehr darüber, dass die Nutzung bibliometrischer Daten in der Demografie in der Fachwelt Beachtung findet. Wir haben unsere Ergebnisse auf wichtigen demografischen Konferenzen wie PAA, EPC, IUSSP/IPC vorgestellt. Im Vorfeld der EPC 2022 in Groningen werden wir einen Workshop mit einer Podiumsdiskussion organisieren, der vom IUSSP Panel on Digital Demography ausgerichtet wird.

EPC 2022 Vor-Konferenz Workshop

IUSSP Panel on Digital Demography: Using bibliometric data in demographic research

Zur Person

Aliakbar Akbaritabar ist Computational Social Scientist. Er arbeitet derzeit an Themen, wie Forschen über Forschung, Migration von Wissenschaftler*innen, sozialen Netzwerken, Kollaborationsnetzwerken und natürlich Computational Social Science. Er freut sich darauf, an Forschungsideen zu diesen Themen mitzuarbeiten und dabei computergestützte Tools und Techniken einzusetzen um sozialwissenschaftliche Fragen zu beantworten. Ali auf Twitter: @akbaritabar

Literatur

Kashyap, R., Rinderknecht, R. G., Akbaritabar, A., Alburez-Gutierrez, D., Gil-Clavel, S., Grow, A., Kim, J., Leasure, D. R., Lohmann, S., Negraia, D. V., Perrotta, D., Rampazzo, F., Tsai, C.-J., Verhagen, M. D., Zagheni, E., & Zhao, X. (2022). Digital and Computational Demography. SocArXiv. 10.31235/osf.io/7bvpt

Piolatto, M., Bianchi, F., Rota, M., Marengoni, A., Akbaritabar, A., Squazzoni, F.: The effect of social relationships on cognitive decline in older adults: An updated systematic review and meta-analysis of longitudinal cohort studies. BMC Public Health (2022). DOI: 10.1186/s12889-022-12567-5

Akbaritabar, A., Stephen, D., Squazzoni, F: A study of referencing changes in preprint-publication pairs across multiple fields. Journal of Informetrics (2022). DOI 10.1016/j.joi.2022.101258

Akbaritabar, A., Zagheni, E., & Zhao, X.: Internal versus international scholarly mobility and migration worldwide. International Population Conference (IPC2021), International Union for the Scientific Study of Population (IUSSP) (2021). DOI: https://ipc2021.popconf.org/abstracts/211016

Akbaritabar, A., Squazzoni, F.: Gender Patterns of Publication in Top Sociological Journals. Science, Technology, & Human Values. (2020). DOI: 10.1177/0162243920941588

Aref, S., Zagheni, E., West, J.: The Demography of the Peripatetic Researcher: Evidence on Highly Mobile Scholars from the Web of Science. In I. Weber, K. M. Darwish, C. Wagner, E. Zagheni, L. Nelson, S. Aref, & F. Flöck (Eds.), Social Informatics (pp. 50–65). Springer International Publishing. (2019). DOI: 10.1007/978-3-030-34971-4_4

Miranda-González, A., Aref, S., Theile, T., & Zagheni, E.: Scholarly migration within Mexico: Analyzing internal migration among researchers using Scopus longitudinal bibliometric data. EPJ Data Science (2020). DOI: 10.1140/epjds/s13688-020-00252-9

Subbotin, A., Aref, S.: Brain drain and brain gain in Russia: Analyzing international migration of researchers by discipline using Scopus bibliometric data 1996–2020. Scientometrics (2021). DOI: 10.1007/s11192-021-04091-x

Zhao, X., Aref, S., Zagheni, E., & Stecklov, G.: Return migration of German-affiliated researchers: Analyzing departure and return by gender, cohort, and discipline using Scopus bibliometric data 1996–2020. Scientometrics (2022). DOI: 10.1007/s11192-022-04351-4

Castro Torres, A. F., Alburez-Gutierrez, D.: North and South: Naming practices and the hidden dimension of global disparities in knowledge production. Proceedings of the National Academy of Sciences (2022).  DOI: 10.1073/pnas.2119373119

Kontakt

Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Stellvertretender Leiter Training

Aliakbar Akbaritabar

E-Mail

+49 381 2081-238

Was nun?

Zur Startseite

Das Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock ist eines der international führenden Zentren für Bevölkerungswissenschaft. Es gehört zur Max-Planck-Gesellschaft, einer der weltweit renommiertesten Forschungsgemeinschaften.