01. November 2022 | Pressemitteilung

Mentale Gesundheit von alleinerziehenden Müttern: Deshalb sind Lebensverläufe und der spätere Partnerschafts­status wichtig

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Trennung und Verwitwung wirken sich auf die psychische Gesundheit von Frauen aus. Frauen, die dadurch alleinerziehende Mütter werden, kämpfen besonders mit langanhaltenden Folgen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von MPIDR-Forscherin Mine Kühn und Kolleg*innen, die aktuelle finnische Registerdaten auswertet.

„Alleinerziehende Mütter sind eine heterogene Gruppe. Deshalb haben wir drei Lebensverläufe Alleinerziehender untersucht: Trennung, Verwitwung und die Geburt eines Kindes ohne Partner*in. Wir haben die Antidepressiva-Prävalenz alleinerziehender Mütter vor und nach dem Beginn des Alleinerziehenden-Status mit der Antidepressiva-Prävalenz von Frauen verglichen, die ebenfalls eine Trennung, Verwitwung oder Geburt erlebt haben, ohne jedoch alleinerziehend zu werden,“ sagt Mine Kühn, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock. So konnten die Forscherin und ihre Co-Autor*innen die Auswirkungen dieser Lebensereignisse auf die psychische Gesundheit von Frauen untersuchen, unabhängig davon, ob sie alleinerziehend sind oder nicht.

„Alleinerziehende haben zusätzlichen Stress“

Die Ergebnisse für alle Frauen, die sich getrennt hatten, zeigten, dass bei denjenigen, die alleinerziehende Mütter wurden, die Einnahme von Antidepressiva zum Zeitpunkt der Trennung deutlich anstieg und nach der Trennung nur mäßig zurückging. „Dies zeigt, dass Alleinerziehende zusätzlichem Stress ausgesetzt sind,“ sagt Mine Kühn.

Bei verwitweten Frauen hatten diejenigen, die Kinder unter 18 Jahren hatten, zuerst eine geringere Antidepressiva-Prävalenz als Frauen ohne Kinder. Dieser Unterschied verringerte sich allerdings, nachdem die Frauen verwitwet waren. Das bedeutet, dass verwitwete Frauen mit Kindern tendenziell länger Antidepressiva einnehmen, als Witwen ohne Kinder.

Auch Frauen, die bei der Geburt ihres Kindes alleinstehend waren, wurden in der Studie als gefährdete Gruppe identifiziert, die vor und nach der Geburt relativ häufig Antidepressiva einnahm.

Bessere psychische Gesundheit macht es leichter, wieder in einer Paarbeziehung zu leben

„Darüber hinaus haben wir die Auswirkungen einer erneuten Verpartnerung auf die psychische Gesundheit der Frauen untersucht: wir haben Frauen, die alleinstehend blieben, mit Frauen verglichen, die erneut eine Partnerschaft eingingen,“ sagt Mine Kühn. Frauen, die innerhalb von fünf Jahren nach der Trennung wieder in einer Beziehung lebten, wiesen in der Zeit nach der Trennung eine niedrigere Antidepressiva-Prävalenz auf als Frauen, die nach fünf Jahren noch allein waren. Allerdings beobachteten die Forschenden bei der ersten Gruppe auch eine geringere Prävalenz in der Zeit vor der Trennung. „Unsere Ergebnisse deuten deshalb darauf hin, dass eine neue Partnerschaft für die psychische Gesundheit von Frauen und insbesondere von alleinerziehenden Müttern von Vorteil ist, und dass eine bessere mentale Gesundheit eine erneute Verpartnerung erleichtert,“ sagt Mine Kühn.

Die Forschenden nutzten Registerdaten der gesamten finnischen Bevölkerung für den Zeitraum von 1995 bis 2018. Erfasst wurden alle Frauen, die in dieser Zeit zwischen 15 und 64 Jahre alt waren und eine Trennung erlebten, Witte wurden oder ein Kind bekommen haben. Das ergibt 616.762 Frauen, die sich getrennt haben, 43.355 verwitwete Frauen und 515.756 Frauen, die ein Kind geboren haben.

Mine Kühn fasst zusammen: „Meine Co-Autor*innen und ich möchten politische Entscheidungsträger*innen sensibilisieren, die unterschiedlichen Lebensverläufe Alleinerziehender zu berücksichtigen, wenn Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit von alleinerziehenden Müttern geplant werden. Denn die soziale Unterstützung, die sie bereits erhalten, und ihr Bedarf an Unterstützung kann sich unterscheiden.“

Finnland gilt als eine recht geschlechter-egalitäre Gesellschaft, dennoch zeigen die Forschenden, dass die mentale Gesundheit von Frauen abnimmt, nachdem sie alleinerziehend geworden sind. „In weniger egalitären Gesellschaften wie in West- und Mitteleuropa könnten die Folgen der Trennung auf die psychische Gesundheit von alleinerziehenden Müttern sogar noch stärker sein,“ schlussfolgert Mine Kühn. Eine vergleichbare Analyse kann allerdings für andere europäische Länder nicht durchgeführt werden, da geeignete Daten fehlen.

Originalpublikation

Kühn, M., Metsä-Simola, N., Martikainen, P.: Pathways into single motherhood, re-partnering, and trajectories of antidepressant medication purchases. Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology (2022). DOI: 10.1007/s00127-022-02371-2

Autor*innen und Institutionen

Mine Kühn, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock

Niina Metsä-Simola, Universität Helsinki

Pekka Martikainen, Max-Planck-Institut für demografische Forschung, Rostock; Universität Helsinki; Universität Stockholm

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